Der schwarze Schwan von Scheckenstein
strichweise Regen!“
„Jedenfalls brauchen wir keine Wachen. Nässe mögen sie nicht!“ bemerkte Stephan mit Genugtuung, und alle stimmten ihm zu.
In ihrem Zimmer im Südflügel spielten Walter und Fritz Schach. Ottokar trat ein und streckte sich. „Mal wieder durchschlafen! Das kann nicht schaden. Dir auch nicht, Stephan!“
Sein Freund verstand die Anspielung. Sie zeigte, daß der Schulkapitän ihn verändert fand und den Grund wissen wollte, ohne direkt danach zu fragen.
Doch Stephan tat, als habe er nichts bemerkt. Er stieg in sein Bett, sagte „Gute Nacht“ und drehte sich auf die Seite.
Idiotische Situation! dachte er. Wenn man immer alles miteinander besprochen und gemacht hat, dann auf einmal nichts Privates mehr redet und sich davonschleicht! Ich muß das von Ottokars Seite sehen. Ich war da obersauer… Ich könnt’s ihm ja sagen. Er würde mich verstehen. Aber irgendwie hab ich da im Moment eine Bremse drauf. Hoffentlich schläft er so fest, wie er müde tut…
Darüber schlief Stephan selbst ein. Tief und fest. Er hatte ja allerhand nachzuholen. Rechtzeitig weckte ihn seine innere Uhr, und er kam unbemerkt aus dem Zimmer. Soweit er das in der Dunkelheit feststellen konnte.
In seiner Fahrradpelerine mit Kapuze schlich der gelbe Wichtelmann durch die Korridore hinaus. Zwar hatte der Regen aufgehört, ein Grund zu Übermut war das aber nicht. Stephans Streicherfahrung mahnte ihn zur Besonnenheit. Im Bootshaus zählte er erst einmal die Boote.
Da fehlt ja eins! Verdammt…
Was bedeutete das? War jemand damit unterwegs? Oder hatte es Pummel in seiner Eigenschaft als „Wasserwart aus dem Verkehr gezogen, und es lag irgendwo, reparaturbedürftig, beziehungsweise frisch gestrichen, an Land? Warum hatte er das nicht in der Teepause festgestellt? Unter diesen Umständen schien es ihm angebracht, nicht direkt, sondern in einem kleinen Bogen hinüberzurudern.
Auf Rosenfels ging Beatrix ähnlich behutsam vor. Auch sie kam, wie sie meinte, unbemerkt aus ihrem Zimmer und ohne jemandem zu begegnen aus dem Schloß. In einem unbenutzten Raum des Wirtschaftsgebäudes hatte sie am Nachmittag mit Polstern, Kocher, Heizofen und Lampe alles für die Bouillon-Stunde vorbereitet.
Sicherheitshalber schaute sie noch einmal in den Raum, ehe sie sich auf den steilen Weg vom Hochufer hinunter zum See machte. Drunten wählte sie den Platz hinter einer der Weiden an der Einfahrt zum Hafen. Sie hatte ihre Taschenlampe mitgenommen. Vielleicht mußte sie Stephan ein Zeichen geben, denn der Rosenfelser Hafen war an dem rabenschwarzen Steilufer schwer zu finden in dieser sternlosen Nacht.
Noch hatte sie Zeit. Sie rollte sich gerade einen kleinen Felsen als Sitz zurecht , da hörte sie vom See her ein Geräusch. War es ein Ruderschlag? Oder Täuschung? Nein. Zu gut kannte sie das leise Platschen eintauchender Ruder. Die Richtung stimmte nicht ganz, das Geräusch kam von zu weit links.
Prima, daß er so pünktlich ist, freute sich Beatrix und lotste ihn mit einem kurzen Blinkzeichen zur Hafeneinfahrt. Auf einmal blieb das Rudergeräusch aus. Statt dessen glaubte sie Geflüster zu hören. Wasser trägt auch leise Stimmen erstaunlich weit. Gespannt starrte sie auf den dunklen See und wartete. Jetzt hörte sie überhaupt nichts mehr. Die Sekunden zogen sich wie Minuten.
Waren das andere Ritter, die einen Streich gegen Rosenfels machen wollten? Der Gedanke lag nahe. Oder hatte sie Stephan mit dem Blinkzeichen irritiert, und er fürchtete genau dasselbe?
Unschlüssig saß sie auf ihrem kleinen Felsen. Die Zeit kroch dahin und feuchte Kühle an ihren Beinen hinauf. Da! Endlich wieder Ruderschlag. Er kam von rechts und näherte sich rasch.
Aha! dachte sie. Hat er zur Sicherheit einen Bogen gemacht und sich ausgerechnet, daß doch ich es bin, die ihm das Zeichen gegeben hat. Unsere Gedanken sind sich ja sehr ähnlich…
Der Ruderschlag kam näher, einwandfrei. Beatrix wollte Stephan gerade ein weiteres Zeichen zublinken, da war es auf einmal totenstill. Sie zögerte, ihr Herz klopfte, daß sie’s in den Schläfen spürte. Sie glaubte, den Schatten eines Bootes zu sehen und hörte plötzlich das vertraute „ Sssst !“
„ Sssst !“ antwortete sie.
Die Ruderschläge setzten wieder ein, jetzt sah sie deutlich das Boot. Unheimlich, wie es dahinglitt, direkt auf die enge Hafeneinfahrt zu. Fern schlug die Kirchenuhr von Wampoldsreute , viermal hell, dann zwölfmal dunkel.
„Na, was sagst du zu meiner Pünktlichkeit?“
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