Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Titel: Der schwarze Schwan von Scheckenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
freie Schulwesen auf der Burg. Machten ihre Mädchen einen Streich, gab sie unbesehen den Schreckensteinern die Schuld, beruhigte sich aber jedesmal wieder und rang sich gar ein Lächeln ab, wenn die Ritter sie in aller Form um Verzeihung baten. Ihre bekannte Schwäche für gute Umgangsformen hatte schon manch heikle Situation entschärft. Trotzdem war abzusehen, daß die Mädchen versuchen würden, ihren Duftangriff vor der Leiterin geheimzuhalten . Daß die Ritter dichthielten, stand außer Frage.
    Stephan hatte die Tordurchfahrt erreicht, die Dusche von oben hörte auf. Jetzt war äußerste Vorsicht geboten. Da sich in der totalen Finsternis kein Lüftchen rührte, würde das Tor vor der Zugbrücke wohl geschlossen sein. Ob abgesperrt oder nur angelehnt – das galt es festzustellen. Naß, mit Duftwolke, setzte Stephan einen Fuß vor den andern. Da! Ein Geräusch vom Radstall. Er blieb stehen. Nichts mehr. Nur das Rauschen des Regens war noch zu hören. Ohne besondere Absicht änderte Stephan die Richtung, ging nach links zur Lehrergarage weiter, als folge er einem Sog. Wurde es hier kühler? War es nur der nasse Trainingsanzug, der auf seinen Schultern klebte? Oder hatte jemand das Tor zur Lehrergarage geöffnet, und die Kühle kam von dort? Nur noch wenige Meter, und er würde Bescheid wissen.
    Da stieß seine Stirn gegen etwas Weiches und doch Festes. Eine Hand? Das mußte eine Hand sein, deutlich spürte er die Finger. Jetzt wurde sie zurückgezogen. Blitzschnell faßte er voraus in etwas Nasses, einen Pullover, erwischte einen dünnen Arm, suchte mit der andern Hand nach dem Mund, um ihn zuzuhalten, bevor die Person ihren Schreck artikulierte. Es konnte ja ein Ritter sein, und sein Laut hätte die Mädchen womöglich gewarnt.
    Es war kein Ritter.
    Stephans Hand hatte in nasses Wuschelhaar gegriffen und war über eine zierliche Nase zum Mund hinuntergerutscht und verschloß ihn wie ein Klebestreifen. Mit dem andern Arm faßte er von hinten um den Bauch und schränkte so die Atmung ein. Überflüssig, wie er feststellte; die Gegenwehr entsprach nicht seinen Kräften.
    Nur weg hier! Bevor die andern was merken…
    Kaum gedacht, hob er die Gefangene hoch und schleppte sie wie eine Schaufensterpuppe davon. Sie wog nicht viel und machte keinen Versuch, sich zu befreien. Am Rand der Durchfahrt, aber noch unter Dach, setzte er sie ab, lockerte den Griff und flüsterte im Rauschen des Regens: „So, du Stinkbombe, jetzt werden wir mal feststellen, wer du bist.“
    „Wie denn?“ Sie kicherte leise. „Wenn du Licht machst, bist du dran!“
    „Von wegen“, flüsterte er. „Denkst du, ich schleiche alleine hier rum?“
    „Danke! Das wollt ich nur wissen“, erwiderte sie kaum hörbar, wand sich mit einer knappen Drehung aus seinem Arm und wollte davon. Er griff ins Dunkel und erwischte ihre Hand.
    „Nicht, Stephan!“ bettelte sie. „Du tust mir weh.“
    Vor Verwunderung, und auch ein wenig geschmeichelt, trotz der Finsternis erkannt worden zu sein, ließ er die Hand los.
    „Wo… woher weißt du?“
    Sie kicherte wieder. „Ach, wir kennen uns ganz gut.“
    Um völlig sicherzugehen, faßte er sie an den Schultern. „Mensch, du, Beatrix!“
    „Na endlich!“ flüsterte sie und lehnte ihre Stirn gegen die seine.
    Stephan war platt. Und ärgerlich über sich. Schon beim Griff in ihr Wuschelhaar hätte er merken müssen, daß sie es war, Beatrix Lebkowitz , die Akkordeon spielte wie er, und mit der er sich von allen Rosenfelser Mädchen am besten verstand.
    „Was machst du jetzt mit mir?“ fragte sie.
    Stephan stand starr und stumm. Daran hatte er im Augenblick überhaupt nicht gedacht.
    „Wenn du mich gefangennimmst “, fuhr sie fort, „sperr mich in die Folterkammer und mach ein Kaminfeuer an. Ich bin vollkommen durchgefroren. Schon unterwegs hat’s geregnet.“ Und sie klapperte leise mit den Zähnen. Noch immer stand Stephan starr und stumm. Einerseits .ging es darum, den Mädchen für ihren dummen Streich einen Denkzettel zu verpassen. Das hieß, die andern verständigen, um möglichst alle einzufangen. Ein schlechter Platz war die Folterkammer nicht, da konnten sie sich aufwärmen, während die Ritter mit ihnen über eine Entschädigung für den blöden Duftangriff verhandelten. Vielleicht Rosenfelser Marzipan, eine auf der Burg hochgeschätzte Schleckerei? Andererseits war es nicht sicher, ob sie alle beteiligten Mädchen erwischten.
    Würde Stephan die Ritter von seinem Fang verständigen, dann

Weitere Kostenlose Bücher