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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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natürlich rein symbolischer Natur, denn er hatte keine Schlüssel. Vielmehr stand er mit leeren Händen vor mir, als genügte sein bloßes Wort als Beweis seiner Treue, obwohl er in Wahrheit die letzten zehn Jahre damit verbracht hatte, mit seinen Fehden gegen Cádiz den Süden in seine Privatschatulle zu verwandeln, Ländereien und Burgen, die Eigentum der Krone waren, einfach zu konfiszieren und die ganze Region dem Verfall in die Gesetzlosigkeit preiszugeben, während er selbst ungeheure Reichtümer anhäufte, ohne die fälligen Steuern zu zahlen.
    Meine Belustigung über sein steifes Gebaren verbarg ich. Hätte er auch nur eine Unze Scham besessen, wäre er erbleicht. Aber das war nicht der Fall. Stattdessen verkündete er: » Majestad , niemand kann von mir erwarten, dass ich irgendetwas anderes abtrete, solange man Cádiz frei herumlaufen lässt. Er findet größtes Vergnügen daran, meine Ländereien zu überfallen und meine Ernte, meine Pferde, meine Rinder und Schafe, ja, meine Leibeigenen zu rauben.«
    »Dann muss auch er für seine Schandtaten büßen und sich mir unterwerfen«, entgegnete ich trocken.
    Doch mit einem unwirschen Lachen nahm mir der Herzog den Wind aus den Segeln. »Cádiz und büßen? Nie und nimmer! Er verachtet jede Amtsgewalt, selbst die seines Landesherrn. Er ist nicht besser als ein gewöhnlicher Verbrecher! Ihr solltet ihm wegen seiner Aufsässigkeit den Prozess machen und die Eingeweide herausreißen lassen.«
    »Sollte ich das?« Medina Sidonias Ton gefiel mir nicht. Wie kam er dazu, mich vor meinem Hof zu belehren? Offenbar hatte er vollkommen vergessen, dass weder er noch Cádiz das geringste Recht auf die zahllosen Territorien hatten, die sie sich zusammen unter den Nagel gerissen hatten. In Wahrheit war der stolze Herzog ein durchtriebener Schurke, und ich hatte nicht übel Lust, ihn das auch wissen zu lassen. Doch ich bezähmte mich und sagte gelassen: »Ich versichere Euch, ich bin gekommen, um dafür zu sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan und dieser Streit zwischen dem Marquis und Euch beigelegt wird. Zu diesem Zweck wird auch der hohe Herr von Cádiz vor mich befohlen werden.«
    »Wir werden ja sehen, wie lange es dauert, bis er Euch antwortet«, erwiderte Medina Sidonia. »Wenn er überhaupt antwortet.«
    Ich ließ mich nicht abschrecken. Während ich auf Cádiz’ Bestätigung meiner Vorladung wartete, beschloss ich, dem Herzog eine Lektion zu erteilen. Ich ließ im Thronsaal ein Podest errichten, auf dem ich jeden Vormittag eine Audienz für das gemeine Volk abhalten wollte. Sobald sich die Nachricht verbreitete, dass ich bereit war, mir die Beschwerden der Bürger anzuhören, standen die Leute stundenlang Schlange, um ihre Klagen vorzubringen.
    Zu seiner Warnung befahl ich Medina Sidonia ebenfalls zu diesen Sitzungen, denn wie ich vermutete, war mir bei Weitem nicht alles über die Zustände in der Stadt mitgeteilt worden. Unter der legendären Pracht Sevillas schlug ein dunkles, verdorbenes Herz. Jeder war auf seinen Vorteil aus, und in der Regel bedeutete das den Tod oder Ruin eines anderen. Ein Beispiel dafür war der Fall eines Mannes, der sich bei mir darüber beschwerte, dass ihm seine Ziegenherde von Dieben gestohlen worden war, die in der Umgebung ihr Unwesen trieben. Darüber hatte er vor dem örtlichen Magistrat Klage eingereicht, doch statt ihm Hilfe zu gewähren, hatte dieser ihm eine Geldstrafe auferlegt. Als er sich weigerte zu zahlen, drangen maskierte Männer bei ihm ins Haus ein und schlugen ihn nicht nur zusammen, sondern vergewaltigten auch seine Tochter vor seinen eigenen Augen.
    »Niemand wollte mir glauben«, jammerte er und drehte seine Mütze zwischen seinen knotigen Händen, während sein Blick gehetzt zu Medina Sidonia hinüberschoss, der wie eine Granitsäule neben meinem Thron stand. »Sie sagen, wir würden alle lügen, jeder Einzelne von uns, aber später habe ich herausgefunden, dass meine ganze Herde auf dem Markt verkauft worden ist. Majestad , ich flehe um Gerechtigkeit. Meine Ziegen sind meine Lebensgrundlage. Ich brauche ihre Milch, um Käse zu machen und meine Familie zu ernähren. Und meine Tochter …« Seine Stimme brach. »Sie ist geschändet worden. Kein Mann von Ehre will sie jetzt noch haben.«
    »Eine befleckte Jüdin mehr – was ist das schon?«, warf Medina Sidonia dazwischen, bevor ich zu Wort kommen konnte. Und auf meinen vernichtenden Blick hin fügte er hinzu: »Der Mann lästert doch Gott, er und seine

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