Der Schwur der Königin
von Fernando verging, befielen mich Zweifel. Die Umstände konnten sich ändern, und – wie Carrillo gesagt hatte – es war die politische Notwendigkeit, nicht die persönliche Neigung, die bei einer Allianz zwischen Königshäusern den Ausschlag gab. Womöglich war ich als Erbin Kastiliens für eine wichtigere Verbindung bestimmt als für die mit dem Not leidenden Thronfolger von Aragón, selbst wenn er mir persönlich noch so gut gefallen mochte. Vielleicht sollte ich mir einen Prinzen suchen, der genügend Macht und Reichtümer besaß, um sowohl mein Erbe zu schützen als auch meine Feinde in ihre Schranken zu weisen.
Doch noch während ich sinnierte, war mir klar, dass ich mir keinen anderen als meinen Ehemann vorstellen konnte. Ob reich oder arm, Fernando war alles, was ich brauchte: Mit einer Beharrlichkeit wie der seinen konnte man Nationen schmieden; und worauf ich mich jederzeit verlassen konnte, das waren seine Kraft, sein Mut und seine Entschlossenheit, sich von nichts und niemandem aufhalten zu lassen. Ich hatte noch alles in lebhafter Erinnerung: wie er mich zu dem Brunnen gelockt hatte, sein wagemutiges Flüstern. In einem Moment scheinbarer Leichtfertigkeit hatte er mir ein wertvolles Geschenk gemacht, eines, das mich in diesen stürmischen Jahren hatte durchhalten lassen, das mir über Angst und Gefahren hinweg Hoffnung verliehen hatte.
Und – wichtiger als alles andere – er würde mein Verbündeter sein, nicht mein Herr. Er würde meine Vision von der Zukunft teilen, ohne danach zu trachten, mich in den Hintergrund zu drängen. Er verstand, dass ich in Kastilien aus eigenem Recht herrschen musste, so wie er die Pflicht hatte, dasselbe in seinem Aragón auf sich zu nehmen. Hier würde er mein Prinzgemahl sein, während mir dort die Rolle der Pinzessin an seiner Seite beschieden sein würde. Gemeinsam konnten wir die zwei Reiche vereinen und trotzdem unabhängig bleiben, ohne dass einer von uns je gezwungen sein würde zu zeigen, dass er stärker war.
Fernando hatte mich gelehrt, mir selbst zu trauen.
Und jetzt würden wir, so Gott es wollte, einander trauen.
Im Oktober 1468 heiratete Beatriz Andrés de Cabrera in Segovia. An der Zeremonie nahmen alle höheren Mitglieder des Hofs teil, und sogar der König höchstpersönlich erwies seinem treuen Diener die Ehre.
In ihrem Kleid aus waldgrünem Samt, der Farbe der Beständigkeit, war Beatriz eine leuchtende Schönheit. Ihr üppiges dunkles Haar war unter einem langen, durchsichtigen Seidenschleier von frischen Blumen und meiner grauen Perlenkette – mein Hochzeitsgeschenk – umkränzt. An ihrer Seite strahlte Cabrera so breit, dass man meinen konnte, die Sonne scheine durch ihn hindurch. Für einen kurzen Moment löste sein Glück einen unchristlichen Neid in mir aus, als ich begriff, dass meine Beatriz, meine Kindheitsgefährtin und lebenslange Freundin, nun zu ihm gehörte.
Während der Feierlichkeiten im Alkazar beobachtete ich Enrique ausgiebig. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit wir in Guisando unseren Vertrag unterschrieben hatten. Mich beunruhigten nicht nur seine merkwürdigen, gehetzten Blicke, die er auf alle außer auf mich abschoss, sondern auch sein ungepflegtes Erscheinungsbild. Er sah aus, als hätte er sich seit Wochen nicht mehr gebadet. Dazu wirkte er überaus nervös, was sich darin äußerte, dass er unablässig mit den Fingern auf der Tischplatte trommelte. Neben ihm saß Villena, wie immer aalglatt und übertrieben vornehm gekleidet, und flüsterte ihm irgendwelche Teufeleien in sein leichtgläubiges Ohr.
Als die Tische für den Tanz weggeräumt wurden, wanderte der tückische Blick des Marquis über das Podest und verweilte mit unverkennbarer Absicht auf mir. Ich erstarrte. Würde er tatsächlich die Unverfrorenheit besitzen, mich zum Tanz aufzufordern? Ich hatte gehofft, mich Enrique im Schutz des Trubels nähern zu können und mich nach den Cortes zu erkundigen, deren in Guisando angekündigte Versammlung bisher ausgeblieben war. Carrillo hatte sich geweigert, mich nach Segovia zu begleiten, um den König auf dieses Thema anzusprechen. Nachdem er mir mehrere geharnischte Schreiben gesandt hatte, hatte er mich nur wenige Stunden vor dem Aufbruch angebrüllt, dass die Feier ein einziges Täuschungsmanöver sei und Enrique nie vorgehabt hätte, die Ständevertreter einzuberufen, damit sie mich zur offiziellen Thronerbin erklärten.
»Sie nehmen Euch gefangen«, warnte er. »Ich habe gehört, dass diese
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