Der Schwur der Venezianerin
zusammen. Schon immer, wenn es letztlich den Erhalt der Macht für die Medicifamilie betraf, wenn es darum ging, Schaden von der eigenen Familie abzuwenden - was auch immer sie als Schaden betrachteten -, hatte die Sippe ihren unüberwindlichen Zusammenhalt gezeigt. Ferdinando, eher ein Feind Francescos, war sich mit seinem Bruder stets dann einig gewesen, wenn es darum ging, in den finstersten Stunden die Medici zu retten. Das hatten die Morde an den Schwägerinnen, Isabella und Eleonora, gezeigt, die von den eigenen Männern erdrosselt worden waren. Das hatten auch die Morde im Namen des Staates an dem Stephansritter und an dem Unschuldigen de l’Este demonstriert.
Bianca überdachte ihre Situation. Ginge es jetzt nur noch darum die eigene Haut zu retten? Dafür würde sie kämpfen, und wenn es mit den gleichen Mitteln gehen sollte, die von den Medici benutzt wurden. Sie war noch jung, hatte das Leben vor sich. Von Mailand bis nach Rom gab es genügend Edle, die sie umgehend aufnehmen würden.
Bianca ließ sich auf einem Stuhl nieder. Die neue Lage war in Ruhe zu überdenken.
Ferdinando hatte nie aufgehört, sie zu hassen. Francesco liebte sie nicht mehr. Ein Sohn war ihnen nicht geboren worden. Der Hass ihres Gatten gegen sie nahm unkontrollierbare Äußerungen an. All dies zusammen ergaben genügend Zutaten für Ferdinando, einen Mord an ihr zu verüben. Sie müsste sich sowohl Francesco als auch Ferdinando erwehren.
Bianca suchte die letzten Teile eines Puzzles, um sie zu dem Gesamtbild zusammenzusetzen.
Der Kardinal hatte von dem nachlassenden Gesundheitszustand seines Bruders gehört. Für ihn war die alleinige Schuldige die Venezianerin. Ohne jetzt mit größerem Widerstand des Großherzogs rechnen zu müssen, könnte er die Gelegenheit wahrnehmen sie an Malaria sterben zu lassen. Symptome dessen, was er vorhatte, könnten leicht mit der Malaria verwechselt werden.
Bianca ging in ihrer Kemenate schnellen Schrittes auf und ab. Sie musste ihre Erregung ableiten. Zuviel passte zusammen. Die Räder im Getriebe der Medici griffen wieder im Sinne der machtvollen Familie ineinander, wie die Räder einer Wassermühle. Eins brauchte das andere. Wenn sie fest ineinandergriffen, wenn sie einmal richtig ins Laufen gekommen waren, würde sie keine Möglichkeit mehr haben, den unweigerlichen Folgen zu entfliehen. Alles, was einmal zwischen die Zahnräder geriet, würde zwischen ihnen zermalmt werden. Sie spürte es, wie bei einem geheimen Schwur hatten sich die Familienmitglieder der kleinen Königsfamilie stets dann gegenseitige Treue geschworen, wenn es um ihren Bestand ging. Der geleistete Eid ging über das Leben eines Einzelnen hinaus. Es waren Kräfte am Werk, die sie nicht mehr kontrollieren konnte. Die höchste Gefahr war für die Großherzogin in Sicht, eine tödliche Gefahr.
„Seltsam“, dachte sie, „die Erkenntnis hat meine Sinne beruhigt. Die Lebensbedrohung lässt mich mit Vernunft kalt und ruhig nachdenken.“
Ab jetzt übernahm sie die Handlung, würde sich nicht einschüchtern lassen. Die Schritte, die sie zu tun hatte, waren schnell und umsichtig geschehen. Aus einem kleinen Holztresor, den sie ständig mit sich führte, entnahm sie zwei kleine Fläschchen. Sie lächelte dabei. Schon einmal hatten sie gute Dienste geleistet. Gemixt von ihr und Francesco hatten sie dem Wohlbefinden der erkrankten Großherzogin Johanna von Österreich dienen sollen. Das eine Fläschchen war durchsetzt mit dem abgeriebenen Pulver dieser so schön leuchtenden Kristalle, die die Alchimisten Arsen nannten. Klugerweise hatte sie sich von beiden Tinkturen ein wenig abgezweigt, für alle Fälle, wenn sie ein derartiges Hilfsmittel benötigen würde. Sorgfältig verschloss sie wieder den geheimen Koffer. Von jetzt an, hätte sie Ruhe, dachte sie.
Doch schneller als gedacht musste sie handeln.
Ihre Zofe berichtete ihr, der Gemahl wünsche sie zu sehen, er sei von einem Jagdausflug krank zurückgekehrt und bete nun um sein Seelenheil.
„Gehe zu meinem Herren und berichte ihm, ich eile zu ihm!“, beauftragte sie die Zofe.
Selbst blieb sie eine Weile am Fenster stehen, schaute nachdenklich auf den herrlichen Park hinter ihrer Villa.
Was mochte er haben, was mochte er vor allem vorhaben? Es gab nichts mehr, das sie überraschen könnte. Sie ergriff eines der kleinen Fläschchen, vermischte den Inhalt mit einem köstlichen Traubensaft, setzte das zweite Fläschchen hinzu und begab sich zu ihrem Gemahl.
Sie durfte
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