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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerri Russell
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Rücken gegen die Steinmauer drückte und ihre Knie weich wurden. Sie sank langsam zu Boden, begleitet vom Rasseln ihrer Ketten, und ließ sich von ihren Visionen überwältigen.
    Doch jede Flucht aus der Wirklichkeit der Zelle forderte ihren Preis, und so glitt sie langsam, aber unaufhaltsam in den Wahnsinn hinab. Sie konnte regelrecht spüren, wie sich ihr Verstand zurückzog und ihre Verbindung zur realen Welt mit jedem Mal ein Stück mehr kappte. Und in jeder Nacht schwor sie sich, den Stein nicht wieder anzufassen, doch sobald am nächsten Tag die Sonne unterging, war ihr guter Vorsatz längst vergessen.
    Auch jetzt war es längst zu spät zur Umkehr, also drang sie tiefer in die Vision ein, bis der Geruch salziger Meeresluft sie umgab und den üblen Gestank ihrer Zelle vertrieb. Ein Bild nahm vor ihr Gestalt an, und Wellen mit weißen Schaumkronen rollten in endloser Abfolge an einen Strand.
    Die Wellen wirkten hypnotisierend auf sie, und sie gestattete diese Wirkung auf sich. Sie konzentrierte ihre Gedanken auf die an Land kommenden Wellen und war dankbar dafür, dass außer ihnen nichts existierte. Vielleicht würde sie auf diese Weise ihren Verstand diesmal vor weiterem Schaden bewahren können. Womöglich würde sie vor der Geburt ihres Kindes noch nicht ganz dem Wahnsinn verfallen sein.
    Während ihr der Gedanke durch den Kopf ging, entstand das Bild einer schlanken blonden Frau an einem Strand. Schaumige Wellen umspülten ihre Füße und lockten sie, ihnen ins Meer zu folgen. Die Frau schaute in die Ferne, als halte sie nach jemandem oder nach etwas Ausschau.
    Das Bild entfernte sich von der Küste und wanderte zu einem Schiff, dessen Segel vom Wind aufgebläht wurden. An Deck stand ein dunkelhaariger Mann, der angespannte Entschlossenheit ausstrahlte. Als hätte er gewusst, dass Lady Grange ihn beobachtete, ging sein Blick in ihre Richtung. Sein Gesicht spannte sich vor Wut an, bis es wie eine starre Maske wirkte. Die Farbe der Augen wurde von einem satten Dunkelbraun zu einem eisigen, metallischen Schwarz.
    Sie schnappte nach Luft.
    »Wie seid Ihr an Bord meines Schiffs gelangt?«, fragte er und musterte sie eindringlich.
    Er konnte sie sehen, aber … wie war das möglich? Niemandem war das bislang jemals gelungen.
    Als sie versuchte, sich aus dieser Vision zurückzuziehen, hielt die sie einfach fest. Die Finsternis wäre ihr lieber gewesen als der Anblick dieses zornigen Mannes. Wer war er bloß? Und warum hatte die Vision sie hergebracht?
    »Antwortet mir«, forderte er sie auf und kam näher. Er griff nach ihrer Schulter, und sie hielt unwillkürlich die Luft an. Sein Griff war fest, jedoch nicht brutal, doch sie spürte ihn weiterhin, als die Vision sich längst wieder veränderte. Der Mann verblasste allmählich, und an seine Stelle rückte der Nachthimmel.
    Ein endloses schwarzes Meer, das nur vom Mond unterbrochen wurde. Doch dieser Mond war zweigeteilt, die beiden gleich großen Hälften standen etwas entfernt voneinander am Himmel, die gezackten Ränder der einen waren auf die der anderen gerichtet. Und langsam trieben die Hälften aufeinander zu, um wieder eins zu werden.
    Um eins zu werden …
    Ein gellender Schrei zerriss die Leere am Nachthimmel, ein anhaltender, urtümlicher Schrei, der erst verstummte, als die Stimme vor Heiserkeit versagte.
    Mit viel Mühe gelang es ihr, den Stein von ihrer Stirn wegzureißen, während der letzte Gedanke in ihrem Kopf nachhallte. Um eins zu werden …
    Die Halskette mit dem Stein fiel ihr auf die Brust, da sie die Hand auf ihren Mund presste, damit ihr kein weiterer Schrei über die Lippen kam. Sie würde niemals wieder eins sein, solange sie den Schicksalsstein benutzte, um der Dunkelheit zu entfliehen.
    Ihre Zukunft würde ihr den Wahnsinn bringen, das hatte ihr die Vision dieser Nacht gezeigt. Nie zuvor hatte sie erlebt, dass die Menschen in ihren Visionen sie ebenfalls sehen konnten.
    Ein erstickter Schluchzer entkam in die Stille des dunklen, klammen Gefängnisses. Wie viele Tage, Wochen oder -; Gott möge das verhindern -; gar Jahre würde sie das hier noch ertragen müssen?
    So lange, wie es sein muss, antwortete eine Stimme tief aus ihrem Inneren. Jetzt zählte nur ihr Kind.
    Sie nahm die Hand vom Mund und strich sich über den Bauch. Für ihr Kind musste sie stark sein.
    Langsam reckte sie das zuckende Kinn und starrte in die Nacht. Der erste schwache Schein des neuen Morgens war zu erkennen. Erleichterung erfasste sie. Den schlimmsten Teil der

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