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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerri Russell
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Prolog
     
    Isle of St. Kilda, Schottland 1353
     
     
    Sie hasste die Dunkelheit.
    Lady Grisel Grange zog unwillkürlich an ihren eisernen Fesseln. Die Nacht würde jeden Augenblick über sie hereinbrechen. Gebannt starrte sie auf den orangefarbenen Lichtstreifen, der sich seinen Weg durch die schmale Schießscharte in der Mauer bahnte.
    Die Angst ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen, als sich das Orange in ein tiefes Rot veränderte. Sie war mit dem Entsetzen, das sie jede Nacht überkam, genauso vertraut wie mit jeder Fuge in dem kalten Mauerwerk hinter ihr.
    Immerhin hatte sie vier Monate Zeit gehabt, um sich jedes Detail ihres Gefängnisses einzuprägen. Vier Monate, in denen sie darüber nachdenken konnte, warum ihr Ehemann so grausam war, sie an diesem so einsamen und abgeschiedenen Ort einzusperren. Schon nach der ersten Woche hatte sie gewusst, dass weder die Leute, die ihr Essen brachten, noch sonst jemand sie retten kommen würde.
    Als sie sich mit dieser Erkenntnis abgefunden hatte, fragte sie sich, warum er sie nicht einfach getötet hatte, anstatt sie in dieses kalte Gefängnis auf der Isle of St. Kilda abzuschieben. Aber eigentlich kannte sie die Antwort längst: Er fürchtete sich vor ihrer mächtigen Familie und davor, was die mit ihm machen würde, sollte man sie tot auffinden. Also entführte er sie und nahm ihr alles weg, was ihr lieb und teuer war. Alles, nur eines nicht, da er nicht gewusst hatte, dass sie es besaß.
    Mit zitternden Händen zog sie die schweren Fesseln nach vorn, bis sie mit den Fingern ihren Bauch berühren konnte. Da sie spürte, wie das Kind in ihrem Bauch trat, ließ die Angst vor der Dunkelheit, die sie jede Nacht überfiel, ein bisschen nach.
    Als er sie hier einsperren ließ, da wusste er nicht, dass sie ein Kind erwartete. Anderenfalls hätte er das Kind genauso erbarmungslos für seine Zwecke benutzt, wie er es mit ihr getan hatte, um einen Thron zu besteigen, auf den er keinen Anspruch anmelden konnte. Ihm war es um ihre blutsmäßige Herkunft und ihre Fähigkeiten als Seherin gegangen. Als sie ihm dann aber kein Kind schenken konnte, da entledigte er sich ihrer wie einer Sache, die jeglichen Wert verloren hatte. Ironischerweise würde er niemals erfahren, dass sich seine Bestrebungen doch noch erfüllt hatten.
    Sie strich sich über den Bauch, der mit jedem Tag ein wenig an Umfang zunahm. Würde das Kind in ihrem Leib ein Fluch oder ein Segen sein? Das Leben, das in ihrem Inneren heranwuchs, bewahrte sie vor der Einsamkeit, die sie mit Anbruch der Nacht heimsuchte. Doch würde ihr Kind bald diesen Alptraum einer Gefangenschaft mit ihr teilen müssen?
    Der dunkelviolette Streifen Licht erlosch, und dann war die Zelle in tiefe Dunkelheit getaucht. Der Mond stand nicht am Himmel, weshalb sie sogar auf dessen schwachen Schein verzichten musste. Trotz des Kindes in ihrem Leib konnte sie ein Schluchzen nicht unterdrücken.
    Wieder lag eine Nacht völliger Einsamkeit vor ihr, so unausweichlich und unverzeihlich wie jede Nacht. Unverzeihlich, weil die Finsternis sie zu etwas zwang, was sie lieber vermieden hätte.
    Sie hob eine Hand an ihren Hals und griff nach dem kleinen weißen Stein mit der abgerundeten und der gezackten Seite, der in ein Geflecht aus zarten Lederstreifen eingebettet war. Er stellte ein weiteres Geheimnis dar, von dessen Existenz ihr Mann nichts wusste. Anderenfalls hätte er ihr den Stein sofort abgenommen. Sie klammerte sich an die Halskette wie an eine Rettungsleine, da sie wusste, dass dieses Objekt ihre Ängste lindern konnte.
    Der Schicksalsstein und die von ihm ausgehenden Visionen boten ihr eine Flucht aus dieser Welt. Sie hielt den Stein fest umschlossen, bis seine glatte Oberfläche in ihrer Hand warm wurde. Eigentlich war es verkehrt, sich von diesen Visionen mitreißen zu lassen, doch ihr blieb keine andere Wahl, nachdem sie sich bereits vor Monaten dem Licht der Visionen hingegeben hatte
    Sie nahm die Halskette ab und ließ den Kopf sinken, bis ihre Stirn den Stein berührte, da sie nur dann in die Zukunft blicken konnte.
    Wessen Zukunft sie sah? Das war für sie nicht länger von Bedeutung, solange die Visionen Licht in diese Finsternis brachten. Der Verlockung des Steins erlegen, fielen ihr langsam die Augen zu, und sofort sah sie vor sich eine Myriade wirbelnder Farben – Rot, Blau, Grün, Orange und jede erdenkliche Schattierung dazwischen.
    Sie klammerte sich an das Bild, hielt es in ihrem Geist fest, während sie den

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