Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
»Ich liebe dich.«
Die Sanftheit ihrer Worte spendete ihm noch mehr wohlige Wärme, und er küsste sie zart auf den Mundwinkel. »Isobel«, flüsterte er.
Sie drückte ihre Lippen auf die seinen, voller Unschuld und zugleich voller Eifer und Nachdruck. Die Stille im Saal wich lautem Applaus und Jubelrufen.
»Meine Lippen kapitulieren für den Moment vor deinen, Isobel«, hauchte er ihr zu. »Aber ich verspreche dir, wenn wir beide wieder allein sind, zeige ich dir meine Dankbarkeit deutlicher.« Er stand auf und zog sie mit sich hoch.
Sie schmiegte sich an ihn, während sie in die fröhlichen Gesichter der Menschen ringsum schaute. Eine Melodie erklang, und alle im Saal stellten sich für den Tanz auf, der damit eingeleitet wurde.
Douglas nahm Isobel an der Hand und zog sie in den Kreis, doch von den anderen wurden sie sanft, aber bestimmt in das Rund in der Kreismitte dirigiert. Ein Lachen stieg in Isobels Kehle auf, doch sie war fast zu sehr außer Atem, um dieses Lachen über ihre Lippen kommen zu lassen.
Sie machte langsamere Schritte und genoss die vielen verschiedenen Farben, in die der Raum durch die untergehende Sonne getaucht wurde, die durch die bunten Fenster in den Saal schien. Das Licht erhellte die Burg auf die gleiche Weise, wie dieser Mann ihr Herz erhellte.
»Woran denkst du gerade?«, fragte Douglas, und er legte die Hände an ihre Wangen, damit er ihr besser in die Augen schauen konnte.
»An Glas … und an Steine.« Sein liebevoller Blick ließ ihre Gedanken so umherwirbeln, als würde sie noch immer tanzen. »Was hast du mit den beiden Hälften des Schicksalssteins gemacht? Immerhin bist du jetzt sein Hüter. Wie willst du dafür sorgen, dass ihn niemand entwendet?«
»Wie interessant, dass es dir gelungen ist, Glas und Stein in einem einzigen Satz unterzubringen.« Er deutete zur Decke, wo bestimmt tausend Glaskugeln hingen. Jede dieser Kugeln wurde von den Fackeln an den Wänden beleuchtet, so dass der Raum in ein Meer aus Regenbogenfarben getaucht war. »Dinge sind immer dann am besten versteckt, wenn alle Welt sie sehen kann.«
Ihr Blick kehrte zu ihm zurück. Hatte er die beiden Steinhälften etwa in eine Glaskugel eingeschlossen und die zu den anderen Kugeln gehängt? »Das ist nicht wahr.«
»Doch, ist es.«
»Aber werden die beiden Steine noch die gleiche Macht besitzen, wenn sie in Glas eingeschlossen sind?«, flüsterte sie.
»Wer braucht denn schon einen Schicksalsstein? Wenn ich in die Zukunft blicken will, dann muss ich nur in deine Augen schauen.« Dabei lächelte er so unbeschwert, wie sie es bei ihm nie zuvor beobachtet hatte. Er war befreit worden von den Schatten seiner Vergangenheit, von seinen Verpflichtungen, an deren Stelle Liebe, Freude und Vorfreude auf die Zukunft getreten waren.
Sie erwiderte sein Lächeln, während die farbigen Kugeln über ihnen sein dunkles Haar mitsamt der einen weißen Strähne beleuchteten. »Die Zukunft sieht tatsächlich strahlend aus.«
Nachwort der Autorin
Wie bei den meisten Geschichten vermischen sich auch in dieser Fakten und Fantasie.
Die Grundidee für den Roman entstand, als ich mich mit schottischen Tartans beschäftigte und dabei auf die Geschichte einer Frau namens Lady Grange stieß. Im Jahr 1725 wurde Lady Grange von ihrem Ehemann, der sich ihrer entledigen wollte, sowie von seinem Freund Lord Lovat entführt, der ihr fälschlich vorwarf, sie sei mit zu vielen politischen Geheimnissen über die Jakobiter vertraut. Sie verschleppten sie auf die Isle of St. Kilda, wo sie über sechs Jahre lang im Kerker saß.
Obwohl allgemein bekannt war, dass Lord Lovat und Lady Granges Ehemann hinter ihrem Verschwinden steckten, wurde der Fall nie näher untersucht. Noch bevor irgendwer auf die Idee kam, eine Suche nach ihr zu beginnen, war sie bereits an Vernachlässigung und Einsamkeit gestorben.
Da ich Lady Grange mit einiger Verspätung Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte, wenngleich auch nur in Form einer fiktiven Geschichte, gab ich ihr eine Tochter, die die Zeit der Gefangenschaft zumindest ein wenig erträglicher machte.
Der Schicksalsstein in meiner Geschichte hat auch ein reales, allerdings namenloses Vorbild. Eine Legende besagt, dass im 17. Jahrhundert ein Mann namens Cùinneach Odhar (Kenneth MacKenzie aus Uig on Skye) als der Brahan-Seher bekannt war. Mit der Hilfe eines kleinen weißen Steins traf er Vorhersagen für die Zukunft. Den Stein hatte er von seiner Mutter geerbt, die ihn wiederum von einer
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