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Der Selbstmordklub

Titel: Der Selbstmordklub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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aber nichtsdestoweniger Herrn Malthus vor.
    Der letztere schaute den Fremden neugierig an und ersuchte ihn sodann, sich zu seiner Rechten niederzulassen.
    »Sie sind ein Neuling,« sagte er. »und wünschen Auskunft? Sie haben sich an die rechte Quelle gewandt. Es ist zwei Jahre her, als ich zum ersten Male diesen Verein besuchte.«
    Der Oberst atmete auf. Wenn Herr Malthus seit zwei Jahren Mitglied war, so konnte eine einzige Nacht schwerlich so gefährlich für den Prinzen sein. Immerhin konnte er nicht alle Bedenken loswerden, auch fürchtete er, das Opfer einer Mystifikation Zu sein.
    »Wie,« rief er, »zwei Jahre! Ich dachte aber ich merke schon, Sie scherzen nur.«
    »Keineswegs,« versetzte Herr Malthus. »Ich befinde mich in einem besonderen Falle, ich bin überhaupt kein richtiges Mitglied, sondern eine Art von Ehrenmitglied. Selten komme ich des Monats zweimal in den Klub. Meine Gebrechlichkeit und die Freundlichkeit des Präsidenten haben mir dieses kleine Vorrecht verschafft, wofür ich außerdem das Doppelte zu zahlen habe. Dazu war ich aber ausnahmsweise vom Glück begünstigt.«
    »Ich muß Sie leider,« sagte der Oberst, »um genauere Auskunft bitten. Bedenken Sie, daß ich die Klubbestimmungen so gut wie gar nicht kenne.«
    »Ein gewöhnliches Mitglied, das wie Sie als Todeskandidat hierher kommt,« versetzte Herr Malthus, »kehrt jeden Abend wieder, bis es vom Los getroffen wird. Es erhält sogar, wenn es mittellos ist, vom Präsidenten Kost und Wohnung, gut und reinlich, nehme ich an, wenn auch natürlich nicht üppig, was ja in Anbetracht des geringfügigen Abonnements (wenn ich so sagen darf) kaum zu verlangen ist. Und dann ist die Gesellschaft des Präsidenten schon an sich ein Genuß.«
    »Wirklich?« rief Geraldine, »auf mich hat er keinen sonderlich anziehenden Eindruck gemacht.«
    »Ja,« sagte Herr Malthus, »Sie kennen den Mann nicht: der drolligste Kauz! Was für Schnurren! Welcher Zynismus! Er kennt das Leben wie kaum ein zweiter und ist, unter uns gesagt, einer der abgefeimtesten Schurken in der ganzen Christenheit.«
    »Und er ist also ebenfalls,« fragte der Oberst, »wennSie mir den Ausdruck gestatten, ein dauernder Stammgast hier, wie Sie selbst?«
    »Ja, er ist dauernd in ganz anderm Sinne als ich,« erwiderte Herr Malthus. »Mich hat man gnädig aufgespart, zuletzt komme ich doch dran. Er dagegen spielt niemals mit. Er mischt die Karten und teilt sie aus und arrangiert alles Weitere. Dieser Mann, mein lieber Herr Hammersmith, ist in seiner Art ein verkörpertes Genie. Drei Jahre lang hat er in London seinen segensreichen und, ich kann wohl sagen, künstlerischen Beruf ausgeübt; und es hat sich niemals auch nur der Schatten eines Argwohns gegen ihn geregt. Ich halte ihn für inspiriert. Zweifellos erinnern Sie sich noch an den aufsehenerregenden Fall, als vor sechs Monaten ein Herr in einer Drogenhandlung zufällig vergiftet ward. Das war eine seiner mindest geistreichen Taten, und doch, wie einfach, wie sicher!«
    »Sie setzen mich in Erstaunen,« sagte der Oberst. »Gehörte jener Unglückliche zu den« – er wollte sagen »Opfern«, besann sich aber noch und sagte: »Mitgliedern des Klubs?«
    Zugleich kam ihm der Gedanke, daß aus der Art und dem Tone, in dem Herr Malthus sprach, nichts weniger als Sehnsucht nach dem Tode herausklang, und er setzte schnell hinzu:
    »Aber ich merke, ich bin noch ganz im dunkeln, Sie sprechen von Kartenmischen und -verteilen; was bedeutet das? Und da Sie den Tod nicht herbeizuwünschen scheinen, so verstehe ich nicht, muß ich bekennen, was Sie herführt.«
    »Sie haben recht, Sie sind im dunkeln,« versetzte Herr Malthus mit gesteigerter Lebhaftigkeit. »Dieser Klub, mein Herr, ist eine Stätte geistigen Taumels. Erlaubte mir mein geschwächter Körperzustand, die Aufregung öfter zu ertragen, verlassen Sie sich darauf, ich würde häufiger hier sein. Nur ein starkes Pflichtgefühl, wie es sich während langer Krankheit und geregelter Lebensweise entwickelt hat, hält mich von Exzessen in dieser, ich kann sagen, meiner letzten Ausschweifung zurück. Ich habe alle kennengelernt,« fuhr er fort und legte seine Hand auf Geraldines Arm, »alle ohne Ausnahme, und ich erkläre Ihnen auf meine Ehre, man hat sie sämtlich viel zu hoch angeschlagen. Die Menschen spielen mit der Liebe. Die Liebe ist aber gar keine starke Leidenschaft. Furcht ist das eine mächtigste Gefühl; mit der Furcht müssen Sie spielen, wollen Sie den größten geistigen Kitzel

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