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Der Selbstmordklub

Titel: Der Selbstmordklub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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wahrzunehmen und sich zurückzuziehen. Die Folgen dieses Schrittes liegen so sehr im Dunklen und können so ernst sein, daß ich entschuldigt zu sein glaube, wenn ich die Freiheit, die mir Eure Hoheit im Privatumgang gestattet, so weit treibe.«
    »Soll das heißen, daß Oberst Geraldine Furcht hat?« fragte der Prinz, indem er den andern durchdringend anblickte.
    »Meine Furcht gilt sicher nicht meiner eigenen Person,« erwiderte Geraldine mit Stolz; »davon kann Eure Hoheit überzeugt sein.«
    »Das hatte ich erwartet,« entgegnete der Prinz, »aber ich wollte Sie nicht gern an den Unterschied unserer Stellung erinnern. Nichts weiter,« fügte er hinzu, als er sah, daß Geraldine sich entschuldigen wollte. »Sie sind entschuldigt.«
    Und er rauchte, an ein Gitter gelehnt, gleichmütig seine Zigarre, bis der junge Mann zurückkehrte.
    »Nun,« fragte er, »will man uns aufnehmen?«
    »Folgen Sie,« war die Antwort. »Der Präsident will Sie sprechen. Und achten Sie meine Warnung und antworten ihm offen. Ich habe für Sie gutgesagt, aber vor der Zulassung werden Sie einem Verhör unterworfen; denn die Indiskretion eines einzelnen Mitgliedes würde die gänzliche Auflösung des Klubs zur Folge haben.«
    Der Prinz und Geraldine steckten einen Augenblick die Köpfe zusammen. »Ich stelle ... vor,« sagte der eine, und »ich ...« sagte der andere, und indem sie die Rollen von Bekannten übernahmen, hatten sie sich im Moment verständigt und waren bereit, ihrem Führer in das Präsidentenzimmer zu folgen. Besondere Schrecknisse waren beim Weitergehen nicht zu bestehen. Die äußere Tür stand offen, die Tür zum Präsidentenzimmer war nur angelehnt, und hier, in einem kleinen, aber sehr hohen Zimmer, ließ sie der junge Mann allein, indem er äußerte: »Er wird sofort hier sein.« Durch die Rolltüre, die das Zimmer auf einer Seite abschloß, hörte man Stimmen, von Zeit zu Zeit ward das Geräusch der Unterhaltung vom Knallen der Champagnerpfropfen und lautem Gelächter unterbrochen. Ein einziges hohes Fenster schaute nach der Themse hin, und aus der Verteilung der Lichter zogen sie den Schluß, daß sie nicht fern von Charing Croß wären. Die Ausstattung des Zimmers war dürftig, die Möbel alt, die Überzüge abgeschabt; sonst befand sich nichts im Zimmer außer einer Handglocke auf dem runden Tisch in der Mitte und einer ziemlichen Anzahlvon Hüten und Überröcken, die überall an den Wänden hingen.
    »In was für einer Höhle befinden wir uns?« sagte Geraldine.
    »Das werden wir bald sehen,« versetzte der Prinz. »Ich denke, die Sache kann unterhaltend werden.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Rolltüre so weit, daß eben ein menschlicher Körper durchschlüpfen konnte; ein lauteres Stimmengewirr drang in den Raum, und es trat herein der Präsident des Selbstmordklubs. Er war ein Mann von mindestens fünfzig Jahren, hochgewachsen, mit unsicherem Tritt, langem Backenbart, einem Kahlkopf und matten grauen Augen, aus denen von Zeit zu Zeit ein Blitz hervorbrach. Seinen Mund, in dem eine große Zigarre steckte, verzog er beständig in eigentümlicher Weise, während er die Fremden mit scharfen und kühlen Blicken maß. Seine Kleidung war aus leichtem Wollenzeug, sein Hals steckte in einem weiten, gestreiften Hemdkragen, unter einem Arm trug er ein kleines Buch.
    »Guten Abend,« sagte er, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, »man sagt mir, Sie wünschen mich zu sprechen.«
    »Wir wünschen in den Selbstmordklub einzutreten,« versetzte der Oberst.
    Der Präsident rollte, statt zu antworten, seine Zigarre im Munde herum.
    »Was ist das?« sagte er plötzlich.
    »Entschuldigen Sie,« entgegnete der Oberst, »aber ich glaube, Sie können darüber am besten Auskunft geben.«
    »Ich?« rief der Präsident. »Ein Selbstmordklub? Das ist ein Aprilscherz. Beim Wein lasse ich mir solchen Spaß gefallen, – aber was soll das hier?«
    »Nennen Sie Ihren Klub, wie Sie wollen,« sagte der Oberst, »Sie haben da Gesellschaft hinter der Türe, und wir wollen uns ihr anschließen.«
    »Sie sind im Irrtum,« erwiderte der Präsident kurz. »Dies ist ein Privathaus, das Sie sofort zu verlassen haben.«
    Der Prinz war während dieser kurzen Unterhaltung ganz ruhig auf seinem Stuhle sitzengeblieben; als ihn nun aber der Oberst anblickte, als wenn er sagen wollte: »Laß dir das gesagt sein, und laß uns um Gottes willen gehen«, nahm er seine Havanna aus dem Munde und sagte:
    »Ich bin auf die Einladung eines

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