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Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Titel: Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert L Stevenson
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unteren Etage und oben eine blinde Fassade aus verwittertem Mauerwerk. Jeder Teil des Gebäudes trug die Merkmale langer und filziger Vernachlässigung. Die Tür, die weder Klingel noch Klopfer trug, war mit Blasen und Rissen bedeckt. In den Nischen rekelten sich Strolche und entzündeten ihre Streichhölzer an den Türfüllungen, auf den Treppenstufen spielten Kinder Kaufmann, an den Simsen hatten Schulbuben ihre Messer ausprobiert, und fast ein Menschenalter lang war niemand erschienen, um diese Stegreifbesucher fortzujagen oder ihre Verwüstungen wieder ausbessern zu lassen.
Die beiden Herren gingen auf der anderen Sehe der Nebenstraße. Als sie sich dem Hofeingang gegenüber befanden, hob Mr. Enfield seinen Stock und deutete auf das Haus.
    »Hast du diese Tür je bemerkt?« erkundigte er sich, und als sein Begleiter bejahte, fügte er hinzu: »In meiner Erinnerung ist mit ihr eine sehr seltsame Geschichte verknüpft.« 
    »Wirklich?« sagte Mr. Utterson mit einer kaum merklichen Veränderung in seiner Stimme. »Und um was handelt es sich?«
    »Nun, es war folgendermaßen«, erwiderte Mr. Enfield. »Ich befand mich auf halbem Wege von irgendeinem Ort am Ende der Welt. Ein düsterer Wintermorgen. Es mochte etwa drei Uhr sein, und mein Weg führte mich durch einen Teil der Stadt, wo tatsächlich nichts zu sehen war außer Laternen. Straße auf Straße und alle Menschen in tiefem Schlaf Straße auf Straße, alle erleuchtet wie für eine Prozession und alle leer wie eine Kirche -, bis ich endlich in jenen Gemütszustand geraten war, da man lauscht und lauscht und sich nach dem Anblick eines Schutzmannes zu sehnen beginnt. Auf einmal erblickte ich zwei Gestalten: die eine ein kleiner Mann, der in scharfem Schritt ostwärts stampfte, die andere ein Mädchen von acht oder zehn Jahren, das, so rasch es nur laufen konnte, eine Querstraße hinunterrannte. Schön, Verehrter, Ganz natürlicherweise stießen die beiden an der Ecke aufeinander; und dann kam der schreckliche Teil der Sache; der Mann trampelte gleichgültig des Kindes Körper unter seine Füße und ließ es schreiend am Boden liegen. Ich konnte zwar nichts hören, aber es war höllisch anzusehen. Der Kerl erschien nicht wie ein menschliches Wesen, er gemahnte an irgendeinen verdammten Klabautermann. Ich schrie hinter ihm drein, machte mich auf die Socken, ergriff meinen Gentleman beim Kragen und schleppte ihn dorthin zurück, wo sich bereits eine ganze Gruppe um das weinende Kind versammelt hatte. Er war vollkommen ruhig und leistete keinen Widerstand, warf mir aber einen Blick zu, so gräßlich, daß mir der helle Schweiß herunterlief. Die Leute, die sich zusammengefunden hatten, waren die Angehörigen des Mädchens, und sehr bald erschien auch der Doktor, nach dem sie geschickt hatten. Nun, dem Kinde fehlte nicht sehr viel, nach Aussage des Knochensägers war's hauptsächlich die Angst, und damit hätte ja eigentlich die Angelegenheit zu Ende sein können. Aber es gab da noch einen merkwürdigen Umstand. Gleich beim ersten Blick hatte ich einen starken Widerwillen gegen meinen Gentleman gefaßt. Das gleiche war bei den Angehörigen des Kindes der Fall, und das war ja schließlich natürlich. Was mich aber überraschte, war des Doktors Verhalten. Er war der übliche Feld- und Wiesenarzt von undefinierbarem Alter und Aussehen, mit starkem Edinburgher Akzent, und etwa ebenso gefühlvoll wie ein Dudelsack. Schön, mein Lieber, es ging ihm genau wie uns; ununterbrochen starrte er auf meinen Gefangenen, und ich sah, wie der Knochensäger blaß und elend wurde vor brennendem Verlangen, diesen Menschen zu töten. Ich wußte, was in seinem Kopfe vorging, ebenso genau wie ich wußte, was mich selbst bewegte. Da es aber leider doch unmöglich war, ihn totzuschlagen, taten wir das nächstbeste: Wir erklärten dem Manne, wir könnten und würden aus dieser Sache einen solchen Skandal machen, daß sein Name von einem Ende Londons bis zum ändern zum Himmel stinken würde. Falls er irgendwelche Freunde besäße oder sich eines Ansehens erfreute, würden wir dafür sorgen, daß er beides verlöre. Und während der ganzen Zeit, da wir in roter Wut auf ihn einsprachen, mußten wir ihm, so gut es ging, die Weiber vom Leibe halten, die wild wie Harpyen auf ihn eindrangen. Nie sah ich je einen Kreis so haßverzerrter Gesichter, und der Mensch stand mitten dazwischen mit einer Miene düsterer, höhnischer Gleichgültigkeit - zwar angsterfüllt, wie ich bemerken konnte, aber doch

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