Der Sokrates-Club
Einzelwissenschaften eine Fortsetzung oder etwas ganz anderes sind als die Philosophie.
Jeder Erwachsene, der mit Kindern philosophiert, wird seinen eigenen Stil entwickeln. Uns scheint vor allem wichtig zu sein, dass sich das kindliche Denken entfalten kann und dass dem Gespräch nicht zu enge Bandagen angelegt werden. Oft genügt ein Stichwort, um Kinder zum Nachdenken und Nachfragen anzuregen. Gelegentlich treibt die freie Assoziation Kinder weit weg vom ursprünglichen Thema, sodass man als Erwachsener gegebenenfalls eingreifen und die Fragestellung in Erinnerung rufen muss. Philosophisches Hintergrundwissen sollte nicht aufgedrängt werden, sondern lediglich als Leitfaden für weitere Fragen dienen. Erstaunlicherweise entfaltet sich in einem längeren Gespräch zumeist ganz zwanglos der gesamte Reichtum philosophischer Argumente und Positionen. In den jeweiligen Kapiteln wurde dies durch Verweise kenntlich gemacht. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, uns wie Sokrates als Hebammen zu verstehen.
Kindern fehlen oft die Worte, um das zu formulieren, was ihnen vorschwebt. An solchen Stellen einzugreifen, ist keine Bevormundung, sondern maieutike – Hebammenkunst. Auch im philosophischen Gespräch kann es zu Denkfehlern und Irrtümern kommen. Diese zu korrigieren, ist keine Respektlosigkeit gegenüber Kindern, sondern ein Gebot der Wahrhaftigkeit.
In den folgenden Kapiteln werden philosophische Gespräche mit Kindern dokumentiert und in einem systematischen Teil jeweils die einschlägigen philosophischen Argumente und Positionen umrissen. Dieser systematische Teil ist als Orientierungshilfe für Eltern, Großeltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie für alle, die mit Kindern philosophieren wollen, gedacht. Natürlich kann dies nicht die vertiefende Lektüre philosophischer Werke ersetzen. Dennoch ist es unser Ziel, in möglichst kompakter Form die jeweilige philosophische Problematik so weit zu strukturieren, dass ein fruchtbarer Gedankenaustausch möglich ist. In unseren Gesprächen haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Neugierde und der Eifer der Kinder eine eigene Dynamik entwickeln, die man durch vorstrukturierte Fragenkataloge ersticken würde. Nehmen Sie das dokumentierte Gespräch und die jeweilige systematische Darstellung der Problematik als einen Steinbruch, aus dem Sie, je nach Bedarf, Teile herausbrechen können, um den Gedankenaustausch anzuregen und neue Impulse zu geben.
Es wäre wünschenswert, dass die Philosophie an deutschen Schulen eine größere Rolle spielte. Es ist kaum zu verstehen, dass ein Land, das in den letzten dreihundert Jahren einen so großen Teil der philosophischen Literatur hervorgebracht hat, dessen wichtigste Denker– von Leibniz über Kant, Hegel, Husserl, Heidegger bis zu Wittgenstein oder in der Gegenwart Jürgen Habermas und Ernst Tugendhat– weltweit studiert werden, die Philosophie und die Ethik in den Schulen so stiefmütterlich, lediglich als Ersatz zum Religionsunterricht, behandelt. Die Ganztagsschulen, die gegenwärtig eingerichtet werden, böten die Gelegenheit, sich intensiver mit philosophischen Fragen auseinanderzusetzen, die die Kinder beschäftigen.
Die hier dokumentierten Gespräche bilden ein weites Spektrum der Philosophie ab.
Im nachstehenden zweiten Kapitel, » Wahrheit und Wissen oder: Warum ich die Wahrheit sagen und trotzdem lügen kann«, geht es um die Grundbegriffe der Erkenntnistheorie.
Im dritten Kapitel, » Freiheit und Verantwortung oder: Warum wir nicht alles dürfen, was wir wollen«, wird das Grundproblem der Ethik erörtert.
Das vierte Kapitel, » Moral im Umgang mit Tieren oder: Warum wir die Katze nicht in die Waschmaschine stecken dürfen«, weitet den Horizont und bezieht auch Tiere in das moralisch zu Berücksichtigende ein. In der heute üblichen Einteilung der philosophischen Disziplin gehört die Tierethik zur angewandten Ethik.
Das fünfte Kapitel, » Gerechtigkeit oder: Warum es gerecht sein kann, dass das Eichhörnchen nur drei Nüsse bekommt und der Löwe fünfhundert«, befasst sich mit der Grundfrage der politischen Philosophie von Platon bis Rawls, nämlich der nach der politischen Gerechtigkeit.
Das sechste Kapitel, » Menschlichkeit oder: Warum Menschen mehr sind als nur Zweibeiner ohne Federn«, beschäftigt sich mit der Frage » Was ist der Mensch?«, also der Anthropologie.
Das siebte Kapitel, » Identität oder: Kann ein böser Mensch entscheiden, ab heute ein guter zu sein?«, erörtert die Frage der
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