Der Sommer deines Todes
sich selbst beschäftigen, während Sie mit Ritchie arbeiten, oder ich bringe ihm Heads Up bei, wenn er möchte.»
«Ist das nicht Poker?», frage ich.
Cathy wirft mir einen Blick zu, als wäre ich in ein Fettnäpfchen getreten. «Sieh mal an, Sie kennen das Spiel.»
«Ich bin ein Soldatenkind. Da müssen die Ehefrauen viel Zeit totschlagen, was mit Kartenspielen gut geht. Manche Frauen haben sogar um Geld gespielt. Heads Up ist echt knifflig.»
«Ja, manchmal schon.» Falls ich mich nicht täusche, errötet sie leicht.
«Ist nur für zwei Spieler, nicht wahr?»
«Ich wusste gar nicht, dass man auch zu zweit pokern kann», wirft Mac ein.
«Leicht ist es nicht, aber es funktioniert.» Als Cathy die Tür öffnet, strömt ein Schwall heißer Luft herein. «Danke, dass Sie gekommen sind.»
Mac dreht sich um und umarmt sie. Da sich die Stimmung von einer Sekunde auf die andere verschlechtert hat, irritiert mich sein Verhalten. «Lassen Sie es sich gutgehen», sagt er und streichelt ihr sogar über den Rücken. Dabei verfangen sich ein paar Haare in seinem Ehering. «Oh nein. Tut mir leid, das wollte ich nicht.»
«Nichts passiert. Ein paar Haare werde ich sicherlich nicht vermissen.»
Kapitel 27
Freitag, 10. August
M it brennender Lunge und weichen Knien rennt Mac durch den Prospect Park und versucht, sich auf den Songtext von Sharon Jones’
100 Days, 100 Nights
zu konzentrieren, doch er muss permanent an Cathy Millerhausen denken. Er dreht die Lautstärke hoch und drückt die Stöpsel tiefer in seine Ohren. Vielleicht gelingt es ihm jetzt, Cathy zu vergessen und sich auf Sharons wunderbare Stimme und ihren großartigen Rhythm & Blues einzulassen. Karin hat recht: Sie müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um endlich diesen grauenvollen Sommer hinter sich zu lassen.
Aber wie soll das gehen?
Es ist erst August, dieser Sommer ist noch längst nicht vorbei, und es dauert noch eine Weile, bis der Fall wirklich abgeschlossen ist.
Er macht die Musik lauter und lauter, bis Sharons Stimme unerträglich verzerrt klingt, reißt die Ohrstöpsel heraus, bleibt stehen und geht in die Hocke, um nach Luft zu schnappen.
Wie hat er das nur übersehen können?
Es hat sich herausgestellt, dass Cathy Millerhausen früher in Las Vegas als Croupier in einem Kasino gearbeitet hat und, bis Godfrey Millerhausen eines schönen Tages an ihrem Tisch landete, ein ganz normales Leben führte. Einmal abgesehen von seinem Vermögen, war er alles andere als ein Hauptgewinn. Und sie auch nicht, obwohl sie blendend aussah und – wie sich herausstellte – das Zeug zu einer guten Mutter hatte.
Normalerweise tut die Vorgeschichte einer Person bei der Aufklärung eines Verbrechens – jedenfalls vom juristischen Standpunkt aus betrachtet – nichts zur Sache. Aber was, wenn Mac auf die Idee gekommen wäre, Cathy zu Anfang der Ermittlung unter die Lupe zu nehmen? Wenn Karin oder Mary daran gedacht hätten, Erkundigungen über sie einzuziehen? Hätte er dann die Polizisten in Harrisburg gefragt, ob sie etwas über Cathy in Erfahrung gebracht haben? Hätten ein paar ganz gewöhnliche Fragen die Geschehnisse in eine andere Richtung gelenkt … und wäre womöglich Mary noch am Leben?
Mit dem Saum des T-Shirts wischt Mac seine verschwitzte Stirn ab. Ein anderer, endorphingepeitschter Jogger sprintet an ihm vorbei. Bei seinem Anblick wird Mac für einen Moment ganz neidisch. Es zeugt doch von Impotenz, denkt er, wenn man sich nicht entspannen kann, wenn man so lange grübelt, bis man ein Problem in seine hässlichen Einzelteile zerlegt hat.
Mac kann nicht aufhören, sich zu fragen, ob Godfrey Millerhausen Alicia Griffin getötet oder das Mädchen nur geschwängert hat. Kann man aus der Tatsache, dass das Opfer zum Zeitpunkt seines Todes von Godfrey Millerhausen schwanger war, was der Mann aus gutem Grund verheimlichen wollte, auch notwendigerweise schließen, dass er ihr Mörder ist?
Nein, auch wenn es ganz danach aussieht. Dass ihn alle für schuldig halten, ist Godfrey sicherlich nicht entgangen. Warum hat er nicht einfach auf die Anfechtung des Ehevertrags verzichtet und seiner Frau eine finanziell vorteilhafte Scheidung in Aussicht gestellt unter der Bedingung, dass Cathy über seine Affäre mit Alicia und ihre Schwangerschaft Stillschweigen bewahrt. Und auf einmal sieht Mac ganz klar: Godfrey hat ihr dieses Angebot unterbreitet, und Cathy ist nicht darauf eingegangen, weil sie alles will.
Warum hat Mac ihre Motive nicht von
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