Der Sommer deines Todes

Anfang an hinterfragt? Die Antwort liegt auf der Hand: Als Privatdetektiv tut man das eigentlich nicht. Er nimmt das Geld und erledigt den Job. Grinst und schweigt. Hofft, dass das Leben eine interessante Wendung nimmt. Freut sich schon auf die abrechenbaren Überstunden.
    Und Cathy ist äußerst charmant. Offenbar hat sie auch den Polizisten aus Harrisburg die Unschuld vom Land vorgespielt. Denn niemand, niemand ist auf die Idee gekommen, sie zu überprüfen. Ganz im Gegenteil, diese Idioten haben sich allen Ernstes mit der These zufriedengegeben, dass ein Gefängnisinsasse während der Besuchszeit ein junges Mädchen aus einem anderen Bundesstaat schwängert. Damit war der Fall für sie abgeschlossen, und sie konnten sich wieder anderen Aufgaben widmen.
    Mac muss an einen Dokumentarfilm mit dem Titel
Paradise Lost: The Child Murders at Robin Hood Hills
und die beiden anschließenden Reportagen denken, die er einmal gesehen hat. Es ging um einen Mordprozess. Drei Jungs wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, und es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis mit Hilfe einer DNS -Analyse ihre Unschuld nachgewiesen werden konnte. Trotz fehlender Beweise waren der Richter und die Geschworenen felsenfest davon überzeugt, dass es sich bei den Verdächtigen um die Täter handelte. Die Teenager waren natürlich alles andere als Musterknaben: Sie nahmen Drogen, einer war geistig zurückgeblieben, ein anderer trug ausschließlich schwarze Kleidung. Dass all dies aus den Jungs noch keine Mörder machte, wurde konsequent ignoriert.
    Bei Alicia Griffin liegt der Fall etwas anders: Die DNS -Analyse belastet Godfrey, doch sie beweist nur, dass er das Mädchen geschwängert hat.
    Wer hat sie getötet? Diese Frage will Mac einfach nicht aus dem Kopf gehen.
    Mac sucht Pachelbels
Kanon in D
heraus, steckt die Stöpsel in seine Ohren und setzt sich, begleitet von Violinen- und Cembaloklängen, in Bewegung. Beim Laufen denkt er an Karin und wie sehr er sie liebt, an seine Kinder, die er vergöttert, und endlich vergisst er Cathy Millerhausen.
    Als das Handy in seiner Hosentasche vibriert, läuft er auf einen grasbewachsenen Seitenstreifen und bleibt dort stehen.
    «Wir sind durch», verkündet Billy.
    «Willst du dich von mir trennen?», versucht Mac sich an einem Scherz und muss husten.
    «Bist du okay?»
    «Ja, ich jogge gerade.»
    «Seit wann läufst du?»
    «Erst seit kurzem. Ich muss meinen Kopf frei kriegen.»
    «Na, das kannst du jetzt bleibenlassen, Bruder, denn ich rufe an, um dir eine Last von den Schultern zu nehmen.»
    «Du redest wie ein Pfaffe.» Mac lacht vor Erleichterung, denn er ahnt, was jetzt kommt. Nun wird sich zeigen, ob es richtig gewesen ist, dem FBI Cathys Haare zu geben, die sich
zufällig
in seinem Ehering verfangen haben, ob es klug gewesen ist, Billy zu überreden, dass er die Exhumierung von Alicias Leichnam veranlasst.
    «Vielleicht sollte ich den Dienst für Gott in Betracht ziehen», sagt Billy, «denn meinen jetzigen Job kann ich wohl an den Nagel hängen. Habe ich dir erzählt, dass die Abteilung für interne Ermittlungen im September mit mir sprechen möchte? Wie mir zu Ohren gekommen ist, ölen sie schon die Guillotine.»
    «Das tut mir leid, Billy.»
    «Ist nicht deine Schuld.»
    «Doch, ich habe dich da reingezogen.»
    «Tja, nun, zur Strafe werde ich jetzt vielleicht dein neuer Partner.»
    «Das ist keine Strafe.»
    «Das denkst du jetzt.»
    «He, spann mich nicht länger auf die Folter. Wie lautet das Ergebnis?»
    «Das Parfüm, das den Gerichtsmedizinern aufgefallen ist, als sie Alicia in der Grube entdeckt haben –»
    «Was ist damit?»
    «Sie glaubten, Alicia hätte es aufgetragen, aber nach Aussage ihrer Eltern reagierte sie allergisch auf Parfüm und hat keines benutzt. Im Labor wurde der Duft nun getestet: Er heißt Joy.»
    «Kommt mir bekannt vor.»
    «Teures Zeug», sagt Billy. «Selbst wenn Alicia Parfüm benutzt hätte, hätte sie sich dieses nicht leisten können. Es sei denn, Godfrey hätte es ihr geschenkt.»
    «Cathy Millerhausen trägt oft Parfüm.»
    «So ist es. Und nach ihren Kreditkartenabrechnungen zu urteilen, hätte sie besser Aktien des Herstellers gekauft.»
    «Das beweist noch gar nichts.»
    «Auf einem Stein in der Grube wurde ein Hautpartikel gefunden. Die DNS stimmt mit der von Cathy Millerhausen überein. Und Spuren von Joy hat man darauf auch nachgewiesen. Anscheinend war es Cathy, die den Stein in die Grube geworfen hat. Vielleicht wollte sie Alicia nur einschüchtern