Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
Zweiten Weltkrieges, und in diesem Zusammenhang seien sie jetzt in Parola. Als sie Taavetti Rytkönens fundierte Kenntnisse bemerkten, luden sie ihn offiziell ein, im Mai 1992, während der Kirschblütenzeit, in Osaka einen Vortrag über Beute­ panzer zu halten. Sie versprachen, die Flugreise und ein ansehnliches Referentenhonorar zu bezahlen. Besonders gefiel ihnen, dass Taavetti Rytkönen fließend Deutsch sprach, die von allen Panzersoldaten bevorzugte Sprache der Macht. Rytkönen versprach, zum vereinbarten Zeit­ punkt in Osaka zu referieren. Er steckte einen ganzen Stapel Visitenkarten der Japaner ein und erklärte, er werde sich bei ihnen melden, sowie der Entwurf des Vortrags fertig sei.
    Zwischendurch aß Taavetti im Café des Museums Erbsensuppe und als Nachtisch Eierkuchen nach Art der Panzerfahrer. Letztere unterschieden sich von ge­ wöhnlichen Eierkuchen dadurch, dass ihre Oberfläche faltig war, gleichsam, als wären Raupenketten über sie hinweggerollt, auch waren sie um einiges fester als gewöhnliche Eierkuchen.
    Nach und nach verschwanden die Touristen vom Ge­ lände, das Museum wurde geschlossen, es wurde A-bend. Taavetti Rytkönen achtete nicht darauf, sondern spähte weiterhin mit jungenhaftem Eifer in die alten Kanonenrohre und öffnete die Einstiegsluken der Pan­ zer. Besonders fesselte ihn das nach Zwiebeln stinkende deutsche Modell, das Sturmgeschütz 40. Soweit er sich erinnerte, wog es fünfundzwanzig Tonnen. Diese Panzer waren im Jahr 1943 für die finnische Armee angeschafft worden, und sie hatten sich bei den Abwehrkämpfen auf der Karelischen Landenge gut bewährt. Taavetti Rytkö­ nen beschloss, dieses Fahrzeug genauer zu untersu­ chen. Er kletterte hinauf und machte sich daran, eine Luke zu öffnen. Eine der beiden Luken war zuge­ schweißt, doch dem eifrigen Alten gelang es, die andere einen Spaltbreit zu öffnen. Aus dem Inneren stieg ihm starker Zwiebelgeruch in die Nase.
    Rytkönen steckte einen Fuß in den Spalt und stemm­ te die Luke auf. Ein dicker lederner Männergürtel tauch­ te auf, der mit einem Gewicht beschwert war. Rytkönen schob sich durch die Öffnung ins Innere des Fahrzeugs. Die schwere Luke mitsamt ihrem Gewicht schlug dröh­ nend hinter ihm zu, er fiel im Dunkeln zuerst auf den Zwiebelsack und dann weiter nach unten auf den Platz des Fahrers oder Schützen. Er stieß sich an irgendetwas den Kopf und spürte, wie ihm der Sack, der am Gürtel hing, gegen die Rippen fiel. Nun lag er verwundert im Dunkel des Fahrzeugs, umgeben von durchdringendem Zwiebelgeruch.
    Taavetti Rytkönen tastete nach der Schnalle des Le­ dergürtels, öffnete sie und rollte den Zwiebelsack zur Seite. Dann rappelte er sich hoch und setzte sich auf den Platz des Schützen. Durch einen Spalt drang ein wenig Licht herein, sodass er, als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ein paar Einzelheiten erkennen konnte: das Periskop, das Visier, die Stirn­ stütze, das Pedal der Abfeuerungsvorrichtung. Alles bekannte Dinge für einen Panzersoldaten. Rytkönen versuchte, das Schloss der Kanone zu öffnen, aber der Mechanismus war entweder zugeschweißt worden oder im Laufe der Jahrzehnte eingerostet. Das Schnellfeuer­ gewehr war nicht mehr vorhanden. Rytkönen erinnerte sich, dass dieser Panzertyp mit einem solchen ausges­ tattet war, um die Infanterie in die Flucht zu schlagen.
    Nachdem Rytkönen das Innere des Wagens unter­ sucht hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Sack. Er schnürte ihn auf und probierte ein paar Zwie­ beln. Tränen traten ihm in die Augen. Ansonsten war es gute Ware. Was für ein Einfall, den Sack hinter der Luke eines Sturmgeschützes aufzubewahren, vermutlich gab es doch in Parola bessere Keller, dachte Rytkönen, während er sich die Augen wischte. Seine Hand ertastete zwischen den Zwiebeln eine kalte Flasche. Vielleicht war darin Essig oder Speiseöl, das die Händler gleich mit den Zwiebeln mitlieferten? Rytkönen strich über die Flasche, ertastete den Verschluss und schraubte ihn auf. Nach Essig roch der Inhalt nicht, eher nach Schnaps. Taavetti nahm einen Probeschluck. Es war echter Koskenkorva, bei diesem Geschmack war kein Irrtum möglich.
    Welch wunderbarer Zufall. Taavetti nahm einen tüch­ tigen Schluck aus der Flasche und biss kräftig in eine große Zwiebel. Er musste ein wenig rülpsen, schluckte dann aber alles hinunter.
    »Das ist harter Stoff, aber ich bin auch ein harter Kerl«, lobte er sich selbst. Zufriedenes Lachen

Weitere Kostenlose Bücher