Der Sommer der lachenden Kühe
Man stelle sich Don Quijote und Sancho Pansa vor, wie sie das heutige Finnland unsicher machen. Das muss sich der finnische Star-Autor Arto Paasilinna gedacht haben, als er den resoluten Taxifahrer Seppo Sorjonen und den pensionierten Landvermessungsrat Taavetti Rytkönen auf die Reise schickte. Das ungleiche Paar hat einige unglaubliche Abenteuer zu bestehen, und der tatkräftige junge Mann muss den in die Jahre gekom menen Schwerenöter aus manch grotesker Situation befreien. Ob er ihn im Morgengrauen in einem ausran gierten Panzer findet, in dem er gemeinsam mit einem Wildschwein und einem Sack Zwiebeln eine feucht fröhliche Nacht verbracht hat, oder ihn beim Nacktba den im Teich vor dem Hotel erwischt, der unberechenba re Reisegenosse ist immer für eine Überraschung gut. Und dann heckt der Alte mit einem wiedergefundenen Freund auf dessen Bauernhof einen Plan aus, der sogar die Kühe auf der Weide um ihr Leben fürchten lässt und im ganzen Land für großen Wirbel sorgt… Arto Paasilinna, 1942 in Kittilä geboren, ist der populärste Schriftsteller Finnlands und wurde in Finnland, Italien und Frankreich mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Er hat bereits 35
Romane veröffentlicht, von denen
viele verfilmt und ausnahmslos alle in die verschiedensten Spra
chen übersetzt wurden.
Arto Paasilinna
Der Sommer
der lachenden Kühe Roman
Aus dem Finnischen von Regine Pirschel Ehrenwirth
Ehrenwirth
ist ein Imprint der Verlagsgruppe Lübbe
Copyright © Arto Paasilinna, 1991
Die finnische Originalausgabe erschien 1991
unter dem Titel ELÄMÄ LYHYT, RYTKÖNEN PITKÄ bei WSOY, Helsinki
Copyright © 2001 für die deutschsprachige Ausgabe: Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach Aus dem Finnischen von Regine Pirschel
Textredaktion: Katja Roggensack
Umschlaggestaltung: Gisela Kullowatz
Umschlagfoto: Images Colour/Premium
Satz: Druck & Grafik Siebel
Gesetzt aus der Goudy Old Style von Linotype
Druck und Einband: GGP Media, Pößneck
Printed in Germany
ISBN 3-431-03614-7
ERST ER TEIL
1
In Finnland hatte der Sommer Einzug gehalten, das ganze Land und das ganze Volk lebten auf. Die Wasser waren vom Eis befreit, die Menschen erwacht. Die Sonne schien, der Wind säuselte. Irgendwo in Lestijärvi buk eine Mutter Schnecken, irgendwo bei Kokkola verur sachte ein betrunkener Autofahrer einen tödlichen Unfall. Eben das übliche frühsommerliche Treiben.
Der Taxifahrer Seppo Sorjonen hatte an diesem Tag einen Kunden aus dem Stadtzentrum von Helsinki nach Otaniemi gefahren. Er schwitzte, im Auto roch es muffig von den Fahrten der vergangenen Nacht.
Das hinkende Fräulein Irmeli Loikkanen beschäftigte ihn in letzter Zeit allzu sehr. Sorjonen war gestresst. Er wünschte sich, auf dem Lande zu sein, über sommerli che, gerade Straßen zu fahren, das helle Grün der Wäl der zu beiden Seiten zu betrachten. Doch ein Taxifahrer hat sein Leben nicht selbst in der Hand, es wird viel mehr durch alltägliche Zufälle bestimmt. Er hat dorthin zu fahren, wohin der Fahrgast es wünscht. Das wurmte Sorjonen. Ein Taxifahrer hat im Grunde keinen Einfluss auf seine Arbeit, er muss sich nicht nur nach der Lizenz und dem Eigentümer des Wagens, sondern auch nach den ständig wechselnden Kunden richten. Polizisten und Politessen greifen in seinen Arbeitsablauf ein. Im Ver kehr lauern das grelle Gewirr der Ampeln und die Ein bahnstraßen und Halteverbote, deren lautlosen Dro hungen sich der Fahrer beugen muss. In kaum einem anderen Job gibt es so viele Befehlshaber.
Sorjonen fuhr von Otaniemi nach Tapiola. Er wollte sich dort am Kiosk auf dem Markt etwas zu trinken kaufen und, nachdem er sich erfrischt hätte, über die Westautobahn quer durch die Meereslandschaft zurück ins Helsinkier Stadtzentrum fahren. Sein Standplatz befand sich in Hakaniemi, und das war keine besonders gute Gegend. Manchmal konnte er froh sein, wenn er von den Fahrten, die er dort annahm, lebend zurück kehrte.
Als Sorjonen auf den Markt von Tapiola einbiegen wollte, schrak er zusammen: Mitten auf der Straße stand breitbeinig ein auffallend großer, grau gekleideter alter Mann. Er kümmerte sich nicht um den Verkehr, sondern widmete seine ganze Aufmerksamkeit seinem Schlips, dessen Enden wie helle Wimpel im Wind flatter-ten. Der Alte war um die siebzig und wirkte in jeder Hinsicht sauber und korrekt. Sein Haar schimmerte stahlgrau in der Sonne. Sein Gesicht war kantig und gefurcht, die Nase gerade, und der Mund
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