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Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Abendwind, der vom See zu ihm hinüberwehte, brachte die Geräusche der Schiffsbesatzung mit sich. Kommandos wurden gebrüllt, eilige Füße rannten über das Schiffsdeck. Der Wind blähte die Segel und es klang, als würden riesige Bettlaken ausgeschüttelt. Rolo vernahm das mahlende Knarren, das Holz auf Holz erzeugt, als die lange Planke über die Reling geschoben wurde. Der Steuermann pfiff und erklärte damit das Anlegemanöver für beendet. Das war das Zeichen für die Besatzung, das Schiff zu verlassen. Im Gleichschritt gingen sie von Bord und verschwanden unter Beifall in der Menge. „Der Hirsch am Bug“, flüsterte Hallimasch, „ist der Sommerkönig.“
    Rolo konnte riechen, dass Hallimasch dem Apfelwein sehr zugetan war.
    „ Sein Geweih trägt die ganze Welt. Dieses Schiff bekommen wir hier nur einmal im Jahr zu sehen. Es ist die Taranis.“
    „ Die was?“, fragte Rolo.
    „ Pst!“, zischte Onno.
    „ Die Taranis“, flüsterte Hallimasch. „Dieses Schiff ist so unsagbar alt, dass nicht einmal ich mich daran erinnern kann, dass es mal ein Jahr nicht kam. Was meinst du, wie alt ich bin?“
    „ Oh, ich würde schätzen, so um die …“
    Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. Um sie herum sprangen alle von ihren Stühlen. Lana und Tinka standen auf und verschwanden im Gewühl. Viele stiegen auf Tische und Bänke. Auch Rolo und sein Vater versuchten, zwischen der wogenden Menge hindurch einen Blick auf das Schiff zu werfen. Hallimasch lehnte sich lächelnd zurück und nippte an seinem Wein. Irgendwo weit vorne, in der Nähe des Ufers, begann jemand einen langsamen Rhythmus zu klatschen. Vereinzelte Rufe wurden laut. Rolo verstand die Worte nicht. Ein zweiter Klatscher stieg in den ruhigen Takt ein, dann ein dritter. Wie ein Lauffeuer im trockenen Gras verbreitete das Klatschen sich über den Platz. Plötzlich erstarrte die Menge. Auf dem Achterdeck stand eine verschleierte Frau.
    „ Oje, dieses Jahr erscheint sie ganz in Schwarz“, raunte Onno.
    Rolo nickte lächelnd, verstand allerdings nicht den Anlass für Onnos Kummer. Er streckte sich, um die Dame vom See genauer in Augenschein zu nehmen. Ihr Kleid war aus schwarzer Spitze in einem wallenden Schnitt. Die Ärmel waren eng, wurden nach unten trompetenförmig weiter und verhüllten ihre Hände. Ein Schleier aus dem gleichen Stoff verdeckte ihr Gesicht bis auf die Augen. Rolo fand das alles sehr hübsch, aber er sah keinen Grund zur Aufregung.
    „ Sehen wohl nicht so oft Laienschauspieler hier“, flüsterte er seinem Vater ins Ohr. Der seufzte und nickte.
    „ Ja, so sind sie.“
    „ Die Beleuchtung ist spitze. Ich sehe überhaupt keine Fackeln oder Scheinwerfer, aber sie ist gut ausgeleuchtet. Hast du schon irgendwo Tante Farrah entdeckt?“
    Sein Vater deutete zum Schiff.
    „ Was?“, platzte es aus Rolo heraus.
    „ Ruhe!“, forderte Onno.
    Dann begann sie zu sprechen. „Wisst ihr noch, wer ich bin?“ Ihre Stimme erklang laut und deutlich über den Platz. Rolo schaute nach versteckten Lautsprechern, entdeckte aber nichts.
    „ Du bist die Bendith Geserith“, antwortete die Menge. „Richtig, das bin ich. Und wisst ihr auch noch, was ich bin?“
    Wie aus einem Mund kam die Antwort: „Du bist die Herrin des Tals, des Sees, der Berge und Wälder. Du bist die Hüterin des Landes. Du bist die Mutter des Samens, der Nuss und des Schösslings.“
    „ Fürwahr, so ist es. Und wisst ihr auch noch, wo ich bin?“ „Du fließt, du schwebst, du webst, welkst und vergehst. Du bist überall.“
    „ Ja, so ist es. Ich sehe, ich bin unter Freunden.“
    Langsam ließ sie ihren Blick von einer Seite des Platzes zur anderen schweifen.
    „ Wie jedes Jahr um diese Zeit gratuliere ich euch zu einer großartigen Ernte, meine Freunde. Wieder arbeitete die gesamte Dorfgemeinschaft Hand in Hand zum Wohle aller. Ich freue mich, dass sich so gut wie alle rege beteiligt haben. Und manch einer ist wirklich über sich hinaus gewachsen. Doch dazu später. Leider gibt es auch einige Tadel zu verteilen. Lasst uns damit beginnen. So bewegen wir uns vom weniger Schönen zum Guten. Der Schmied Schmottke hat sich in diesem Jahr bei der Berechnung seiner Preise wohl um eine Null vertan. Schmottke, du hast nichts gewonnen, wenn die Bauern sich deine Sensen nicht mehr leisten können. Wo kaufst du dann dein Brot, wenn niemand Getreide erntet, niemand Mehl mahlt, niemand Brot backt?“
    Ein Raunen ging durch die Menge. Viele schüttelten empört den Kopf.
    „ Der

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