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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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drei Wochen, keiner weiß genau, wann es anfing, begann er plötzlich wirr zu reden. Er tat niemandem etwas zuleide, und da sowieso die meisten der Ansicht sind, dass er nicht besonders ernst zu nehmen sei, kümmerte es zunächst keinen. Als er aber versuchte, auf den Turm von St. Petri zu klettern, um allen zu zeigen, dass Gott ihm die Gabe zu fliegen gegeben habe, beschloss sein Vetter, offenbar sein einziger Verwandter, ihn vor sich selbst zu schützen. Kurz und gut, er lieferte ihn im Pesthof vor den Wällen ab, in diesem grässlichen Anwesen, in dem die Hamburger ihre Siechen wegschließen. Ich finde das sehr befremdlich. Hätte ich einen Vetter und so viel Geld, würde ich ihn um keinen Preis in diesem Haus einschließen lassen, das selbst bei kühlem Wetter meilenweit stinkt und vom Schreien und Stöhnen der armen Verwirrten widertönt.»
    Sie holte tief Luft. Das war selbst für Helena eine lange Rede gewesen. Es war plötzlich still im Zimmer, nur eine Hummel brummte auf der Suche nach dem Fenster. Alle sahen Struensee erwartungsvoll an.
    «Und jetzt habt ihr kein Stück, das ihr aufführen könnt.»
    «Natürlich haben wir ein Stück, viele Stücke, Tragödien, Komödien, Ballette oder Schäferspiele, das wisst Ihr doch. Aber wir haben für ihn und sein blödes Stück Braunschweig aufgegeben, und er hat uns ein besonderes Honorar zugesichert. Das brauchen wir jetzt dringend. Dieser wandelnde Silberknopf, gewiss sein Herr Vetter, behauptete, er wisse nichts von einem neuen Stück. Wir brauchen es aber, und Billkamps Brief ist so gut wie ein Vertrag, sagt Sebastian.»
    Struensee zupfte sich nachdenklich an der etwas groß geratenen Nase und nickte. «Billkamp, sagt Ihr? An den Namen kann ich mich zwar nicht erinnern, ich habe schon große Mühe, mir die meiner Patienten zu merken. Aber doch, ich habe von der Geschichte gehört. Warum besucht ihr ihn nicht im Pesthof? Gegen eine geringe Gebühr kann da jeder hinein, sonntags gleich nach dem Gottesdienst pilgern ganze Familien zur Unterhaltung in diese Gruselkabinette und weiden sich am Elend der Kranken. Ihr habt immerhin einen Grund.»
    «Das hat Jakobsen auch vorgeschlagen», sagte Titus, der die Geschichte längst leid war und bis zu diesem Moment in einer Ecke gedöst hatte. «Jakobsen kennt sich aus, ein guter Wirt hört von allem, was in der Stadt geschieht. Ich bin auch gleich mit Helena hingegangen, aber sie haben uns nicht eingelassen. Ausnahmsweise war der Grund nicht, dass wir Komödianten sind. Da kommt offenbar tatsächlich jeder hinein, selbst so übles Volk wie wir. Aber speziell unser Dichter sei nicht zu besuchen, sagte der Torwächter. Nicht für uns und auch sonst für niemanden.»
    Wieder nickte Struensee. Wer genug Geld hatte, konnte seinen Verwandten dort eine Einzelzelle abseits der großen Säle mieten, und wenn die Wächter ab und zu mit einem Fässchen Branntwein und einem halben Goldstück versorgt wurden, ließen sie die Gaffer nicht hinein. «Der Pesthof gehört den Hamburgern», erklärte er. «Als Stadtphysikus von Altona habe ich da nichts zu suchen, es sei denn, es handelt sich um einen meiner dänischen Patienten, die in Hamburg leben.»
    «Gibt es in Altona keinen Wahnsinn?», fragte Sebastian spöttisch.
    «Doch», Struensee lachte. «Und nicht nur bei diesem Wetter. Aber wir sperren alle, die uns, aus welchem Grund auch immer, stören, einfach gemeinsam ins Zuchthaus in der Kleinen Mühlenstraße. Das ist zwar ständig überfüllt, aber so ist es eben am billigsten. Vielleicht kann Rohding helfen, er hat sicher Patienten dort. Ich will sehen, was ich tun kann.»
    Nachdem er gegangen war, blieb Rosina am Fenster stehen und sah ihm nach, wie er sich mit großen, leichten Schritten, die Ärmel hochgeschoben und die Jacke über der Schulter, durch das Gedränge auf der Elbstraße schob und in einer Seitenstraße verschwand. Sie hätte ihn gerne noch einiges gefragt. Wie es den Herrmanns am Neuen Wandrahm ging, zum Beispiel.

2. Kapitel
    Mittwoch, den 11. Junius,
nachmittags
    Claes Herrmanns blinzelte träge in die Sonne, die in breiten Streifen durch die Fenster in Jensens Kaffeehaus fiel und sich in den bläulichen Tabakschwaden brach. Es war die Stunde nach Börsenschluss, und das Kaffeehaus war wie stets um diese Zeit gedrängt voll. Die Stimmen der Männer verschmolzen in Claes’ Ohren zu einem breiten, vieltönigen Summen. Er löffelte den Zuckersatz aus seiner Tasse und fand, er sei ein glücklicher Mann.
    Sein

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