Der Sommernachtsball
mit der Anschrift der Davis’. Von Geld war darin nicht die Rede, nur davon, dass Viola offenbar Schwierigkeiten hatte, ihre alte Wohnung zu vermieten.
Daraufhin schrieb Mr Wither ein letztes Mal. Diesmal erwähnte er nichts von Geld, verlangte aber entschieden, dass seine Schwiegertochter so schnell wie möglich zu ihnen ziehen müsse.
Das war die einzige Möglichkeit. Solange Viola in London lebte, konnte er nicht darauf hoffen, ihr Geld zu verwalten. Und dieser Gedanke schlug ihm mehr und mehr auf den Magen. Noch schlimmer war, dass er nicht mal wusste, um wie viel es sich handelte. Möglicherweise waren es sogar dreihundert im Jahr!
Er hielt Viola für ein törichtes, gewöhnliches junges Ding, hatte aber, abgesehen davon, nichts gegen sie. Natürlich war es eine Schande, wirklich eine Schande, dass sie nur eine kleine Verkäuferin gewesen war, aber immerhin hatte ihrem Vater die Hälfte des Geschäfts gehört, in dem sie angestellt gewesen war. Und es war ein anständiges Geschäft, ein solide geführter, gut besuchter kleiner Laden. Und das war gut so. Mr Wither mochte das Gefühl, von Geld umschlossen zu sein wie von einem Wall; er mochte die Vorstellung, dass selbst die entferntesten Verwandten ein wenig beiseitelegten (was fast alle Withers taten).
Nein, es machte ihm nichts aus, dass Viola von nun an hier bei ihnen leben würde. The Eagles war ein großes Haus; er würde sie nicht oft zu Gesicht bekommen. Und wenn, dann konnte man sie in den Griff kriegen. Und er konnte endlich Teddys Geld für sie verwalten und darauf achten, dass es nicht sinnlos verschwendet oder anderweitig missbraucht wurde. Wäre ein hübsches Hobby für sie, überlegte er. Sie konnte sich seinem klugen Management ihres kleinen Vermögens beugen und mit den Jahren (so hoffte er) ein wenig klüger und gefügiger werden.
Natürlich hatte er nie etwas anderes erwartet, als dass Teddy ein charakterloses Geschöpf wie sie heiraten würde. Was ihn nicht davon abhielt, sehr verstimmt zu sein, als Teddy es tatsächlich tat. Töchter, die nie einen Mann kriegen würden, und ein Sohn, der eine kleine Verkäuferin heiratete. Und dazu Mrs Wither, die so enttäuscht war über die Einstellung ihrer drei Kinder zur Ehe. Nein, Mr Wither wollte von DIESEM Thema wahrhaftig nichts mehr hören.
Hinzu kam, dass Teddy so gut wie keinen Ehrgeiz besessen hatte. Mr Wither hatte ihm, als er zweiundzwanzig wurde, eine zwar unbedeutende, aber aussichtsreiche Stelle in der Gasfirma verschafft, mit der Prämisse, dass er sich von nun an »hinaufarbeiten« würde. Wohin, war unklar.
Aber weiter war Teddy nie gekommen. Zwanzig Jahre lang war er auf demselben Posten geblieben; sein Gehalt war um fünf Pfund jährlich gestiegen, weil das in dieser Firma, ab einer gewissen Stellung, so üblich war. Nicht, dass er mit seiner Stelle zufrieden gewesen wäre, in der er so wenig verdiente, dass sich Mr Wither bei dem Gedanken daran schämte. Mr Withers Bekannte und Verwandte rieben ihm immer wieder unter die Nase, dass Teddy in Wahrheit davon geträumt habe, Architekt oder Maler zu werden: irgendwas Künstlerisches. All dies verstimmte Mr Wither zutiefst.
Er war sicher, dass seine Bekannten hinter seinem Rücken darüber redeten, dass er seinem Sohn mehr hätte bezahlen sollen. Aber das hatte er aus mehreren guten Gründen nicht tun können. Erstens hatte Teddy nicht mehr Geld verdient ; niemand, der diese Stelle hatte, erhielt mehr als das, was er bekam. Außerdem konnte er seinen Sohn ja schlecht bevorzugen. Und schließlich brauchte Teddy gar nicht mehr Geld: Er war ja nicht verheiratet. Und so weiter und so fort.
Als Teddy dann schließlich im Alter von einundvierzig Jahren doch noch heiratete, sah sich Mr Wither in der glücklichen Lage, sein Gehalt nicht mehr erhöhen zu können, da er seinen Anteil an der Firma zu dem Zeitpunkt bereits verkauft hatte. Er gewährte Teddy ein jährliches Taschengeld von achtzig Pfund und war der Meinung, dass dies ausreichen müsse. Aber Teddy war kaum ein Jahr lang in den Genuss der Apanage gekommen, als er auch schon starb, und Mr Wither konnte sie wieder zurücknehmen.
Mr Wither starrte blicklos ins Feuer und sinnierte, dass es manche Männer ziemlich hart traf, wenn sie ihre Söhne verloren. Also ihn hatte es nicht sehr hart getroffen, das musste er zugeben. Natürlich war es ein Schock gewesen. Natürlich. Schon seltsam, dass es ihn nicht härter traf. Er war nie sonderlich gut mit Teddy ausgekommen, nicht mal, als er
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