Der Spiegel im Spiegel
du nichts mehr vor.
Ohne zu wissen wie, findet sich der Clown nach einer Weile in der Nähe jenes Gebäudes, das ihm vom Direktor bezeichnet worden ist - es handelt sich um eine kleine Artistenpension, die ihm von früher her bekannt ist. Auf der Straße liegen Tote, steif und unmöglich verrenkt wie Schaufensterfiguren. Dazwischen verstreut einzelne Gliedmaßen, auch Köpfe mit Hüten auf und Krawatten um den Hals.
Als der Clown in die Straße einbiegt, wo die Pension liegt, sieht er schon von weitem, daß sie von Menschen erfüllt ist, die hin- und herwogen wie Meereswellen. Vor der Tür der Pension stauen sie sich und branden wieder zurück. Aber alles das geht ohne Laut vor sich und übertrieben langsam. Auch viele Schwarzuniformierte sind darunter und andere Männer in langen Ledermänteln. Jeder scheint auf jeden einzuprügeln mit äußerster Kraft, doch wegen der Langsamkeit der Bewegung wirkt das Ganze wie ein gespenstisches Zeremoniell. Mit weit ausholenden, tanzartigen Bewegungen schlägt jeder die Faust oder das, was er in ihr hält, in das Gesicht dessen, der ihm am nächsten steht. Nichts ist zu hören als ein dumpfes, allgemeines Keuchen und das Klatschen und Krachen der Schläge.
Der Clown wendet sich rasch ab und stellt den Mantelkragen hoch, um sein Gesicht zu verbergen, denn schon ist einer der Schläger auf ihn aufmerksam geworden und zeigt auf ihn. Andere wenden ihre teilnahmslosen, verschwollenen Gesichter herum, und nun kommt ein Dutzend mit langen, halb schwebenden Schritten auf ihn zu. Andere schließen sich an. Der Clown biegt rasch um eine Ecke in eine dunkle Seitengasse ein, dann in die nächste und noch einmal in eine andere. Er schaut im Laufen zurück und sieht keine Verfolger mehr. Vielleicht hat er sie abgeschüttelt.
Es hat keinen Sinn zu fliehen. Es gibt keine Zuflucht. Was hier geschieht, geschieht überall. Es geschieht immer. Wer flieht, geht erst recht in die Falle.
Nachdem er noch einige weitere finstere Gassen durchquert hat, entdeckt er den matt erleuchteten Eingang eines Lokals, einer Bierschänke, wie es scheint. Der Eingang besteht aus einer überdimensionalen Drehtür, vor und in der einige Betrunkene herumtorkeln. Erst beim Nähertreten kommen dem Clown Zweifel, ob es sich um Betrunkene handelt, denn alle halten die Augen geschlossen und strecken die Arme vor, als wollten sie Blinde spielen. Vielleicht sind es Schlafwandler und Mondsüchtige, denn als der Clown leise einen von ihnen anspricht, antwortet der nicht, sondern fährt fort, mit vorgestreckten Armen herumzuirren. Vielleicht verstellen sie sich, vielleicht auch nicht. Der Clown beschließt einzutreten und im Lokal zu warten, bis er zur Pension zurückkehren kann. Er schiebt sich durch die Drehtür.
Das Lokal liegt im Souterrain, und er stolpert einige Stufen hinunter, die er nicht bemerkt hat. Vor ihm liegt ein schlauchartig langgestreckter Raum, der sich nach hinten zu in Halbdunkel und Rauchschwaden verliert. Nur einige nackte Glühbirnen von geringer Leuchtkraft hängen von der Decke und verbreiten trübes Licht. In der hintersten Ecke zur Linken erhebt sich eine Art Empore, von einem holzgeschnitzten Geländer umgeben. Alle Tische des Lokals, mit Ausnahme des einen auf der Empore, sind dicht besetzt. Halb geleerte Biergläser, umgestürzte Aschenbecher und Speisereste bedecken die Platten. Die Gäste sitzen einer an den anderen gedrängt, viele haben die Gesichter auf die Arme gelegt, manche liegen auch mit der Wange in einer Bierlache, während ihre Arme unter den Tisch baumeln, alle schlafen mit offenen Mündern. Atemgeräusche, Schmatzen und Schnarchen erfüllt die übelriechende Luft. Bisweilen regt sich einer der Schläfer, wälzt seinen Kopf von einer Seite auf die andere und seufzt, als könne er die rechte Bequemlichkeit nicht finden.
Der Clown sucht sich einen Weg zwischen den Tischen, über ausgestreckte Beine hinweg, zu jener Empore im Hintergrund, um den einzigen freien Platz zu erreichen. Er kommt vor dem Holzgeländer an und muß feststellen, daß dieses keinerlei Eintrittsöffnung hat, auch gibt es keine Stufen, die dort hinauffuhren. Also klettert er vorsichtig, um keinen der Schläfer zu stören, auf den nächststehenden Tisch und von dort aus über das Geländer. Seufzend läßt er sich auf einem der Stühle nieder, stützt das Kinn in die Faust und wartet.
Sie träumen, daß sie träumen. Sie sind in einem anderen Traum. Man soll sie nicht wecken. Ich möchte schlafen können wie
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