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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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sie.
    «Hörst du mir überhaupt zu?» fragt halblaut eine gereizte Stimme.
    Der Clown zuckt zusammen. Erst jetzt wird ihm bewußt, daß schon seit einer ganzen Weile jemand leise auf ihn einredet. Es ist der Direktor.
    «Aber ja», murmelt der Clown, «ich höre genau zu.» Er fischt in seinem trüben Gedächtnis nach irgendwelchen Worten, die er gehört hat. Es war davon die Rede gewesen, fällt ihm jetzt ein, daß die Sitzung des Komitees im letzten Augenblick hierher verlegt worden sei, weil die Miliz durch irgendeinen Verräter Wind von der Sache bekommen hätte und die Pension abgeriegelt worden sei.
    «Es scheint dich nicht sonderlich zu beeindrucken», sagt der Direktor und mustert den Clown mißtrauisch von der Seite. «Hast du eine Ahnung, wer der Verräter gewesen sein könnte?»
    Der Clown schüttelt den Kopf.
    «Woher wußtest du eigentlich, daß wir hier sind?» forscht der Direktor weiter und kaut auf dem kalten Zigarrenstummel, «oder hat dich der pure Zufall hergeführt?»
    Der Clown nickt.
    «Viele Zufälle, findest du nicht?» fragt der Direktor.
    Der Clown nickt tiefsinnig, dann dreht er sich auf seinem Stuhl um und sagt laut: «Aber die Bedienung ist katastrophal! Wie lang muß man hier eigentlich warten, bis man bestellen darf?»
    «Still!» ruft der Direktor mit erstickter Stimme und hält dem Clown den Mund zu. Als er ihn wieder freigibt, fragt der Clown: «Wieso?»
    Der Direktor lehnt sich zurück.
    «Hör mal. ich habe die Verantwortung für dich übernommen. Ich stehe für dich ein. Aber es gibt einige unter uns, die der Überzeugung sind, nur du könntest der Verräter sein. Ich habe ihnen gesagt, daß ich dich für unfähig halte, eine solche Schweinerei zu begehen. Was sagst du dazu?»
    Der Clown holt aus seiner Manteltasche die Peitsche des Direktors und legt sie vor ihn hin. «Da!» sagt er, «die hast du vergessen.»
    Der Direktor rollt den Zigarrenstummel zwischen den Lippen hin und her. «Danke, mein Alter. Ich brauche sie nicht mehr.»
    Wieder mustert er den Clown mit zusammengekniffenen Augen.
    «Niemand hat gehört, was du zu den Schwarzuniformierten gesagt hast. Es gibt einige unter uns, die es wissen möchten. Was hast du gesagt?» «Ich habe ihnen befohlen, den anderen zu sagen, daß sie die Gefangenen freilassen sollen.» «Das hast du gesagt? Und was haben sie geantwortet?»
    «Sie haben gehorcht, weil sie die Peitsche gesehen haben.»
    Der Direktor zündet sich den Zigarrenstummel an und raucht zwei, drei Züge mit geschlossenen Augen. Dann gibt er sich einen Ruck, klopft dem Clown anerkennend aufs Knie und grinst. «Ich glaube dir. Ich kenne dich und glaube dir. Wir werden alles wieder einrenken. Laß mich das nur machen, mein Alter.»
    Er beugt sich vor und schaut dem Clown eindringlich in die Augen. «Was meinst du, soll ich jetzt gleich meine Rede halten?»
    Der Clown blickt über die Schlafenden und nickt. Man sollte sie nicht wecken. Sie sind in einem anderen Traum. Vielleicht sind sie es, die diese Welt träumen.
    «Unbedingt», sagt er, «das ist der richtige Moment.»
    Der Direktor erhebt sich und tritt ans Geländer. Dann scheinen ihm aber doch noch einmal Bedenken zu kommen, und er wendet sich zum Clown zurück.
    «Ich werde doch vielleicht lieber erst den Wirt fragen. Er ist zwar einer der unseren, aber vielleicht ist es besser, wenn ich frage, ob er einverstanden ist. Schließlich ist es ja sein Lokal.»
    «Das solltest du tun», meint der Clown.
    Der Direktor macht sich daran, über das Geländer zu klettern. Er sitzt schon rittlings darauf, da hält er noch einmal inne und flüstert dem Clown zu: «Hör mal, du könntest schon mal ein paar einleitende Worte sagen. Du verstehst schon: Die Zuhörer ein bißchen anwärmen und so weiter. Ich komme dann gleich zurück und übernehme die Ansprache.»
    Der Clown nickt kraftlos. «Du weißt doch, daß ich so was nicht kann. Ich bringe so leicht alles durcheinander.»
    «Dann nimm dich eben zusammen!» zischt der Direktor wütend. «Verstehst du denn nicht? Ich gebe dir eine Chance. Vielleicht ist es deine letzte.»
    «Worüber soll ich denn reden?»
    «Worüber du willst.»
    Der Direktor springt auf den Boden hinunter, hält sich mit beiden Händen an den Holzsprossen des Geländers fest und sagt zwischen ihnen hindurch zum Clown hinauf: «Wichtig ist, daß du die Leute in Stimmung bringst. Darum geht es.»
    Es geht darum aufzuwachen. Das ist das einzige, worum es geht.
    Der Clown blickt dem Direktor nach, wie der

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