Der Spion der Fugger Historischer Roman
wurde Amman Sachs’ Furcht größer, dass mit seinem verwegenen Plan irgendetwas schiefgegangen war.
Sachs spuckte aus bei dem Gedanken, dass er gleich zurück ins Kontor der Faktorei musste, wo deren Leiter ihn mit einer Mischung aus Schadenfreude, Häme und geheuchelter Besorgnis empfangen würde, nur um sich dann wieder einmal zu erkundigen, ob »sein Schiff schon gesichtet« worden sei. Und er, Amman Sachs, würde erneut verneinen müssen, worauf der Faktor, immer noch lächelnd, in seiner Schreibstube verschwinden würde, um eine weitere, Unheil versprechende Depesche nach Augsburg zu schicken, zur Zentrale des größten Handelshauses der Welt.
Amman Sachs ärgerte sich maßlos über die Schadenfreude des Faktors, dem Stellvertreter ihres gemeinsamen Geschäftsherrn. Was hatte der Kerl eigentlich davon, wenn diese bedeutende Mission scheiterte? Schließlich ging es um unvorstellbare Mengen Gold und Silber, die sich an Bord des sehnlichst erwarteten Schiffes befanden – und für die der König das Haus Fugger würde haftbar machen, falls das Schiff gesunken war oder sonst wie nicht das Ziel erreichte. Es würde ihrer aller Status gefährden, wenn das Handelshaus eine neuerliche schmerzliche Niederlage hinnehmen musste.
Vor allem aber er, Amman Sachs, würde dies zu verantworten haben, auch wenn er den entstandenen Schaden natürlich niemals tragen konnte – das vermochten nur die Fugger. Aber waren die Fugger noch so mächtig, dass sie den ungeheuren Wert einer Goldgaleone würden ersetzen können? Seit der alte Anton Fugger vor ein paar Jahren gestorben war, ging es spürbar und sichtbar bergab mit dem einst größten Handelshaus der Welt. Immer wieder waren wichtige Geschäfte geplatzt; immer wieder gingen riesige Kredite verloren. Und auch ihr wichtigster Kunde, der Habsburger auf dem spanischen Thron, König Philipp, war alles andere als verlässlich. Ohne die verfluchte Goldgaleone war er vermutlich gar nicht mehr zahlungskräftig.
Das alles ging Amman Sachs durch den Kopf. Doch er nahm sich vor, den Besuch in die Faktorei nicht etwa aufzuschieben, wie er es in den Tagen zuvor immer wieder getan hatte, um die Begegnung mit dem Faktor und den Versand der unvermeidlichen Depesche nach Augsburg noch ein wenig hinauszuzögern. Nein – heute wollte er das Unabänderliche eingestehen und von sich aus die Nachricht an seinen Dienstherren übermitteln: Die
Flor de la Mar
war wahrscheinlich verloren.
Er durfte nicht länger untätig bleiben und warten, bis andere die Initiative ergriffen. Er musste selbst handeln und das Heft in die Hand nehmen, statt wie ein vom Blick einer Schlange gebanntes Kaninchen auf das drohende Unheil warten.
Doch Amman Sachs konnte der Versuchung nicht widerstehen, einen kleinen Umweg zur Faktorei zu nehmen, um in einer gewissen Pension vorbeizuschauen. Eigentlich war es gar keine Pension oder gar ein Gasthaus, sondern ein normales kleines Bauernhaus, in dem vom Eigentümer, weil es sich so ergab, eines seiner wenigen Zimmer an Fremde vermietet wurde. Das Haus stand am Rande Lissabons, fast eigentlich schon außerhalb der Stadt in Richtung Belem, das sich westlich zum offenen Meer hin am Ufer des Tejo erstreckte.
Das kleine Haus war kastenförmig im maurischen Stil errichtet, mit kleinen Fenstern, und erstrahlte in frischer weißer Farbe. Um das Haus herum war ein üppiger Gemüsegarten angelegt, dem der ordnende Einfluss und die liebevolle Pflege durch die Mönche eines nahen Klosters anzusehen war. Einem Kreuzgang gleich führte ein Weg durch die sauber ausgerichteten Beete. Die Erde war schwarz und fruchtbar und wurde offensichtlich auch bei größter Hitze feucht gehalten. Erste Frühlingsblumen blühten; ein leichter Wind trug Amman Sachs ihren Duft entgegen.
Wegen der Schönheit und Stille hatte Amman seine Schritte zu diesem kleinen idyllischen Fleck gelenkt. Denn egal wie düster seine Gedanken zuvor auch gewesen sein mochten: Die Freundlichkeit dieses üppigen kleinen Gartens vertrieb alle dunklen Wolken von seiner Seele, wenngleich auch heute wohl wieder nur für kurze Zeit.
Außerdem wohnte in diesem beschaulichen kleinen Haus zurzeit eineaußergewöhnliche Person, deren Schicksal im Augenblick auf wundersame Weise mit seinem eigenen verwoben war – ein Umstand, der es dem Agenten der Fugger bisher sehr erleichtert hatte, auf die
Flor de la Mar
zu warten. Denn jeden Tag, den das Schiff sich verspätete, war ein Tag mehr, den er mit der wunderschönen mexikanischen
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