Der Spion der Fugger Historischer Roman
»Bei der Mitteilung über das Wesen der gottgleichen Neuankömmlinge aus den Ländern der aufgehenden Sonne jedoch haben unsere Götter sich geirrt.«
Amman biss die Zähne zusammen. Auch wenn die Offenheit der Mexikanerin ihn schockierte, weil sie gewiss auch in ihm einen der brutalen Eroberer aus dem Osten erkannte – er musste ihr recht geben. Man hatte die spanischen Konquistadoren in den mittlerweile ebenfalls »Amerika« genannten südlicheren Gegenden des Kontinents mit offenen Armen und meist freundlich empfangen, da es offenbar uralte einheimische Prophezeiungen gab, die die Ankunft von Göttern auf großen Schiffen vorhergesagt hatten; gedankt aber hatten die Konquistadoren es mit Tod, Vernichtung und totaler Ausbeutung. Sie waren rücksichtslose Eroberer, deren Helfershelfer auch er nun war, Amman Sachs, Handelsbeauftragter des größten Handelshauses der Welt.
Amman ließ die entstehende peinliche Pause vorüberziehen und blieb stumm in der Hoffnung, dass Tecuichpo dies als stummes Schuldeingeständnis akzeptierte. Tatsächlich verzichtete sie darauf, die Wunden zwischen ihren beiden Kulturen weiter aufzureißen.
»Vielleicht sind unsere Guacas nur für uns persönlich da, als unsere individuellen Ratgeber«, fuhr sie dann fort, »und gänzlich unbrauchbar, wenn es um die großen Dinge der Welt und der Zeit geht. Was mein eigenes Leben angeht, so hat mein Idol sich niemals geirrt.« Die Stimme mit dem fremdartigen Akzent stockte. »Daher weiß ich nun, dass mein Bräutigam, und mit ihm das riesige Schiff, in den Fluten des großen Meeres versunken ist. Mein Guacas hat es mir heute gesagt; er hat es mir auf unmissverständliche Art und Weise mitgeteilt, sodass es für mich nun keinen Zweifel mehr geben kann.«
Tecuichpo hatte ohne spürbare Emotionen, beinahe gleichgültig gesprochen. Doch die Worte selbst und deren Bedeutung straften sie Lügen. Amman Sachs fühlte, wie tief die Traurigkeit seiner Begleiterin wirklich sein musste. Nur fiel ihm keine geeignete Möglichkeit ein, die schöne Frau an seiner Seite angemessen zu trösten. So blieb er still in der Hoffnung, sein Schweigen würde diesmal Mitgefühl ausdrücken.
Doch auch die Mexikanerin machte keine Anstalten mehr, ihre Rede fortzusetzen. So ging das ungleiche Paar schweigsam und nebeneinander her die staubige Straße oberhalb des Flussufers entlang in Richtung der großen Festung Castelo de Saõ Jorge auf das alte maurische Stadtviertel Alfama zu, der Altstadt Lissabons, die sich unterhalb des mächtigen Kastells mit seinen hohen Natursteinmauern und den prächtigen Burgzinnen zum Tejo hin erstreckte.
Hier, nicht weit von den hölzernen Anlegeplätzen für die Handelsschiffe entfernt, hatten die Vertreter der Fugger sich in einem verhältnismäßig bescheidenen Gebäude niedergelassen, das als Faktorei sowohl für die Handelsverwaltung genutzt wurde als auch für die Lagerung der kostbaren Waren aus aller Welt, die hier im Lissabonner Hafen angelandet wurden und von hier aus mit anderen Schiffe, aber auch auf dem Landweg etwa nach Madrid verschickt wurden, der alten Hauptstadt Spaniens. In einem rückwärtigen Gebäudeteil gab es zudem einige Stallungen und Gästezimmer, in dem Kuriere mit ihren Pferden untergebracht wurden und in denen auch Amman Sachs alles andere als standesgemäß einquartiert worden war – mit der Erklärung, dass man in dieser kleinen Handelsniederlassung räumlich noch sehr beschränkt sei; die Möglichkeiten seien in nichts mit den Faktoreien beispielsweise in Brügge, Antwerpen, Frankfurt, Hamburg oder Nürnberg zu vergleichen. Amman Sachs hatte diese Erklärungen ohne Protest akzeptiert und sich ganz auf seine Aufgaben konzentriert, die ihn ohnehin mehr zum Hafen und in die Nähe der Prinzessin Tecuichpo führten als in seine allenfalls als Kammer zu bezeichnende Unterkunft in diesem Handelshaus.
Amman blickte zu den Fenstern der Faktorei auf; durch die Lamellen der schweren, geschlossenen Läden konnte er den Faktor erkennen, der ihn und die Mexikanerin an seiner Seite offensichtlich beobachte. Sachs nickte dem Mann zu, um ihm zu zeigen, dass er ihn entdeckt hatte, woraufhin der Faktor sich sofort ins Dunkle des Zimmerinnern zurückzog.
Die beiden Ankömmlinge betraten den Durchgang zum Hof, wo sich auch die Tür zu den Kontoren der Niederlassung befand. Amman betätigte den großen, aus Messing gearbeiteten Türklopfer, der einen Löwenkopf darstellte, worauf innen ein schwerer eiserner Riegel aufgeschoben
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