Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
Vom Netzwerk:
gedämpften Tone gesprochen. Aber es war nicht nötig, weil einerseits die links ihm zunächst Sitzende Triglaff aus purem Hochgefühl ihr Ohr gegen alles, was gesprochen wurde, verschloß, während andrerseits die Domina, nachdem der Diener allerlei kleine Spitzgläser herumgereicht hatte, ganz ersichtlich mit einer Ansprache beschäftigt war.
    »Lassen Sie mich Ihnen noch einmal aussprechen«, sagte sie, während sie sich halb erhob, »wie glücklich es mich macht, Sie in meinem Kloster begrüßen zu können. Herr von Rex, Herr von Czako, Ihr Wohl.«
    Man stieß an. Rex dankte unmittelbar und sprach, als man sich wieder gesetzt hatte, seine Bewunderung über den schönen Wein aus. »Ich vermute Montefiascone.«
    »Vornehmer, Herr von Rex«, sagte Adelheid in guter Stimmung, »eine Rangstufe höher. Nicht Montefiascone, den wir allerdings unter meiner Amtsvorgängerin auch hier im Keller hatten, sondern Lacrimae Christi. Mein Bruder, der alles bemängelt, meinte freilich, als ich ihm vor einiger Zeit davon vorsetzte, das passe nicht, das sei Begräbniswein, höchstens Wein für Einsegnungen, aber nicht für heitere Zusammenkünfte.«
    »Ein Wort von eigenartiger Bedeutung, darin ich Ihren Herrn Bruder durchaus wiedererkenne.«
    »Gewiß, Herr von Rex. Und ich bin mir bewußt, daß uns der Name gerade dieses Weines allerlei Rücksichten auferlegt. Aber wenn Sie sich vergegenwärtigen wollen, daß wir in einem Stift, einem Kloster sind… und so meine ich denn, der Ort, an dem wir leben, gibt uns doch auch ein Recht und eine Weihe.«
    »Kein Zweifel. Und ich muß nachträglich die Bedenken Ihres Herrn Bruders als irrtümlich anerkennen. Aber wenn ich mich so ausdrücken darf, ein kleidsamer Irrtum… Auf das Wohl Ihres Herrn Bruders.«
    Damit schloß das etwas diffizile Zwiegespräch, dem alle mit einiger Verlegenheit gefolgt waren. Nur nicht die Schmargendorf. »Ach«, sagte diese, während sie sich halb in den Vorhängen versteckte, »wenn wir von dem Wein trinken, dann hören wir auch immer dieselbe Geschichte. Die Domina muß sich damals sehr über den alten Herrn von Stechlin geärgert haben. Und doch hat er eigentlich recht; schon der bloße Name stimmt ernst und feierlich, und es liegt was drin, das einem Christenmenschen denn doch zu denken gibt. Und gerade wenn man so recht vergnügt ist.«
    »Darauf wollen wir anstoßen«, sagte Czako, völlig im Dunkeln lassend, ob er mehr den Christenmenschen oder den Ernst oder das Vergnügtsein meinte.
    »Und überhaupt«, fuhr die Schmargendorf fort, »die Weine müßten eigentlich alle anders heißen, oder wenigstens sehr, sehr viele.«
    »Ganz meine Meinung, meine Gnädigste«, sagte Czako. »Da sind wirklich so manche… Man darf aber andrerseits das Zartgefühl nicht überspannen. Will man das, so bringen wir uns einfach um die reichsten Quellen wahrer Poesie. Da haben wir beispielsweise, so ganz allgemein und bloß als Gattungsbegriff, die ›Milch der Greise‹ - zunächst ein durchaus unbeanstandenswertes Wort. Aber alsbald (denn unsre Sprache liebt solche Spiele) treten mannigfache Fort- und Weiterbildungen, selbst Geschlechtsüberspringungen an uns heran, und ehe wir’s uns versehen, hat sich die ›Milch der Greise‹ in eine ›Liebfrauenmilch‹ verwandelt.«
    »Hihi… Ja, Liebfrauenmilch, die trinken wir auch. Aber nur selten. Und es ist auch nicht der Name, woran ich eigentlich dachte.«
    »Sicherlich nicht, meine Gnädigste. Denn wir haben eben noch andre, dezidiertere, denen gegenüber uns dann nur noch das Refugium der französischen Aussprache bleibt.«
    »Hihi… Ja, französisch, da geht es. Aber doch auch nicht immer, und jedesmal, wenn Rentmeister Fix unser Gast ist und die Triglaff die Flasche hin und her dreht (und ich habe gesehen, daß sie sie dreimal herumdrehte), dann lacht Fix… Übrigens sieht es so aus, als ob die Domina noch was auf dem Herzen hätte; sie macht ein so feierliches Gesicht. Oder vielleicht will sie auch bloß die Tafel aufheben.«
    Und wirklich, es war so, wie die Schmargendorf vermutete. »Meine Herren«, sagte die Domina, »da Sie zu meinem Leidwesen so früh fort wollen (wir haben nur noch wenig über eine Viertelstunde), so geb’ ich anheim, ob wir den Kaffee lieber in meinem Zimmer nehmen wollen oder draußen unter dem Holunderbaum.«
    Eine Gesamtantwort wurde nicht laut, aber während man sich unmittelbar danach erhob, küßte Czako der Schmargendorf die Hand und sagte mit einem gewissen Empressement: »Unter dem

Weitere Kostenlose Bücher