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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Holunderbaum also.«
    Die Schmargendorf verstand nicht im entferntesten, auf was es sich bezog. Aber das war Czako gleich. Ihm lag lediglich daran, sich ganz privatim, ganz für sich selbst, die Schmargendorf auf einen kurzen, aber großen Augenblick als »Käthchen« vorstellen zu können.
    Im übrigen zeigte sich’s, daß nicht bloß Czako, sondern auch Rex und Woldemar für den Holunderbaum waren, und so näherte man sich denn diesem.
    Es war derselbe Baum, den die Herren schon beim Einreiten in den Klosterhof gesehen, aber in jenem Augenblick wenig beachtet hatten. Jetzt erst bemerkten sie, was es mit ihm auf sich habe. Der Baum, der uralt sein mochte, stand außerhalb des Gehöftes, war aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit seinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fortgewachsen. Er war an und für sich schon eine Pracht. Was ihm aber noch eine besondere Schönheit lieh, das war, daß sein Laubendach von ein paar dahinter stehenden Ebereschenbäumen wie durchwachsen war, so daß man überall neben den schwarzen Fruchtdolden des Holunders die leuchtenden roten Ebereschenbüschel sah. Auch das verschiedene Laub schattierte sich. Rex und Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zulässig. Denn so reizend die Laube selbst war, so zweifelhaft war das unmittelbar vor ihnen in großer Unordnung und durchaus ermangelnder Sauberkeit ausgebreitete Hofbild. Aber pittoresk blieb es doch. Zusammengemörtelte Feldsteinklumpen lagen in hohem Grase, dazwischen Karren und Düngerwagen, Enten- und Hühnerkörbe, während ein kollernder Truthahn von Zeit zu Zeit bis dicht an die Laube herankam, sei’s aus Neugier oder um sich mit der Triglaff zu messen.
    Als sechs Uhr heran war, erschien Fritz und führte die Pferde vor. Czako wies darauf hin. Bevor er aber noch an die Domina herantreten und ihr einige Dankesworte sagen konnte, kam die Schmargendorf, die kurz vorher ihren Platz verlassen, mit dem großen Kohlblatt zurück, auf dem die beiden zusammengewachsenen Pflaumen lagen. »Sie wollten mir entgehen, Herr von Czako. Das hilft Ihnen aber nichts. Ich will mein Vielliebchen gewinnen. Und Sie sollen sehen, ich siege.«
    »Sie siegen immer, meine Gnädigste.«

Neuntes Kapitel
    Rex und Czako ritten ab; Fritz führte Woldemars Pferd am Zügel. Aber weder die Schmargendorf noch die Triglaff erwiesen sich, als die beiden Herren fort und die drei Damen samt Woldemar in die Wohnräume zurückgekehrt waren, irgendwie beflissen, das Feld zu räumen, was die Domina, die wegen zu verhandelnder diffiziler Dinge mit ihrem Neffen allein sein wollte, stark verstimmte. Sie zeigte das auch, war steif und schweigsam und belebte sich erst wieder, als die Schmargendorf mit einem Male glückstrahlend versicherte: jetzt wisse sie’s; sie habe noch eine Photographie, die wolle sie gleich an Herrn von Czako schicken, und wenn er dann morgen mittag von Cremmen her in Berlin einträfe, dann werd’ er Brief und Bild schon vorfinden und auf der Rückseite des Bildes ein »Guten Morgen, Vielliebchen«. Die Domina fand alles so lächerlich und unpassend wie nur möglich, weil ihr aber daran lag, die Schmargendorf loszuwerden, so hielt sie mit ihrer wahren Meinung zurück und sagte: »Ja, liebe Schmargendorf, wenn Sie so was vorhaben, dann ist es allerdings die höchste Zeit. Der Postbote kann gleich kommen.« Und wirklich, die Schmargendorf ging, nur die Triglaff zurücklassend, deren Auge sich jetzt von der Domina zu Woldemar hinüber und dann wieder von Woldemar zur Domina zurückbewegte. Sie war bei dem allem ganz unbefangen. Ein Verlangen, etwas zu belauschen oder von ungefähr in Familienangelegenheiten eingeweiht zu werden, lag ihr völlig fern, und alles, was sie trotzdem zum Ausharren bestimmte, war lediglich der Wunsch, solchem historischen Beisammensein eine durch ihre Triglaffgegenwart gesteigerte Weihe zu geben. Indessen schließlich ging auch sie. Man hatte sich wenig um sie gekümmert, und Tante und Neffe ließen sich, als sie jetzt allein waren, in zwei braune Plüschfauteuils (Erbstücke noch vom Schloß Stechlin her) nieder, Woldemar allerdings mit äußerster Vorsicht, weil die Sprungfedern bereits jenen Altersgrad erreicht hatten, wo sie nicht nur einen dumpfen Ton von sich zu geben, sondern auch zu stechen anfangen.
    Die Tante bemerkte nichts davon, war vielmehr froh, ihren Neffen endlich allein zu haben, und sagte mit rasch wiedergewonnenem Behagen: »Ich hätte dir schon bei Tische gern was Beßres an die

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