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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Mittellosen sterben konnten, und dann gab es diese Kammer unter dem Dach, die Æthelflæds Gefängnis gewesen war. Es war nicht unbequem, wenn auch klein. Sie hatte ihre Dienstmägde bei sich, aber an diesem Abend waren sie angewiesen worden, sich ihr Nachtlager in den Lagerräumen zu bereiten. «Mir wurde gesagt, du hättest mit den Dänen Verhandlungen geführt», sagte Æthelflæd.
    «Das habe ich auch. Mit Schlangenhauch in der Hand.»
    «Und hast du auch mit Sigunn Verhandlungen geführt?»
    «Ja», sagte ich. «Und es geht ihr gut.»
    «Gott weiß, warum ich dich liebe.»
    «Gott weiß alles.»
    Darauf sagte sie nichts, sondern regte sich nur neben mir, um das Schaffell höher über die Schultern und bis zu ihrem Kopf hinaufzuziehen. Ihre goldfarbenen Haarsträhnen lagen über meinem Gesicht. Sie war Alfreds ältestes Kind, und ich hatte mitangesehen, wie sie heranwuchs und zur Frau wurde, hatte mitangesehen, wie die Freude in ihrer Miene zu Bitterkeit wurde, als man sie meinem Cousin zur Frau gab, und ich hatte die Freude wiederkehren sehen. Ihre blauen Augen waren braun gesprenkelt, und sie hatte eine Stupsnase. Ich liebte dieses Gesicht, doch nun hatte es Sorgenfalten bekommen. «Du solltest mit deinem Sohn reden», sagte sie, ihre Stimme dumpf unter dem Schaffell.
    «Uhtred gibt nichts als frömmlerischen Unsinn von sich», sagte ich, «also würde ich lieber mit meiner Tochter sprechen.»
    «Sie ist in Sicherheit, und dein anderer Sohn auch. Sie sind in Cippanhamm.»
    «Warum ist Uhtred hier?», fragte ich.
    «Der König wollte ihn hier haben.»
    «Sie machen einen Priester aus ihm», sagte ich wütend.
    «Und aus mir wollen sie eine Nonne machen», sagte sie ebenso wütend.
    «Wirklich?»
    «Bischof Erkenwald wollte mir das Gelübde abnehmen. Ich habe ihn angespuckt.»
    Ich zog das Fell vor ihrem Gesicht weg. «Das haben sie wirklich versucht?»
    «Bischof Erkenwald und meine Mutter.»
    «Wie ist das vor sich gegangen?»
    «Sie sind hierhergekommen», sagte sie äußerst sachlich, «und haben darauf bestanden, dass ich in die Kapelle gehe, und dort hat Bischof Erkenwald lange und zornig auf Latein geredet, und dann hat er mir ein Buch hingehalten, und gesagt, ich solle meine Hand darauf legen und schwören, den Eid zu halten, den er soeben aufgesagt hatte.»
    «Und hast du es getan?»
    «Ich habe dir schon gesagt, was ich getan habe. Ich habe ihn angespuckt.»
    Ich schwieg eine Zeitlang. «Dazu muss sie Æthelred überredet haben», sagte ich schließlich.
    «Ich bin sicher, dass er mich gern aus dem Weg hätte, aber Mutter sagte, es wäre Vaters Wunsch, dass ich das Gelübde ablege.»
    «Das bezweifle ich», sagte ich.
    «Und dann sind sie in den Palast zurück und haben verkündet, ich hätte das Gelübde abgelegt.»
    «Und sie haben Wachen am Tor aufgestellt.»
    «Ich glaube, die Wachen waren eher dazu da, dich draußen zu halten», sagte Æthelflæd, «aber jetzt sind sie verschwunden, hast du gesagt.»
    «Sie sind verschwunden.»
    «Also kann ich gehen?»
    «Du hast das Kloster doch gestern schon einmal verlassen.»
    «Steapas Männer haben mich zum Palast begleitet», sagte sie, «und anschließend wieder zurückgebracht.»
    «Jetzt sind keine Wachen da.»
    Sie runzelte nachdenklich die Stirn. «Ich hätte als Mann geboren werden sollen.»
    «Ich bin im Grunde recht froh, dass es nicht so gekommen ist», sagte ich.
    «Dann wäre ich König», sagte sie.
    «Edward wird ein guter König sein.»
    «Das wird er wohl», stimmte sie mir zu, «aber er ist manchmal sehr entscheidungsschwach. Ich wäre ein besserer König geworden.»
    «Ja», sagte ich, «das wärst du ganz bestimmt.»
    «Armer Edward.»
    «Arm? Er wird bald König.»
    «Er hat seine Liebe verloren», sagte sie.
    «Und die Kinder sind am Leben.»
    «Die Kinder leben», bestätigte Æthelflæd.
    Ich glaube, von allen Frauen in meinem Leben habe ich Gisela am meisten geliebt. Noch heute trauere ich um sie. Aber Æthelflæd war mir immer am nächsten. Sie dachte wie ich. Manchmal fing ich an, etwas zu sagen, und sie beendete den Satz. Mit der Zeit mussten wir uns nur noch ansehen und wussten, was der andere dachte. Von allen Freundschaften, die ich im Leben hatte, war keine so eng wie die mit Æthelflæd.
    Irgendwann in dieser feuchten Dunkelheit wurde der Thorstag zu Freyas Tag. Freya war die Frau Wotans, die Göttin der Liebe, und während ihres gesamten Tages regnete es weiter. Nachmittags erhob sich Wind, ein starker Wind, der an den

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