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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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nicht mehr gefunden», erklärte er vor Kälte zitternd seine frühe Ankunft, «also haben wir im Kloster von Sankt Rumwold übernachtet.» Er deutete vage in Richtung Süden. «Dort war es sehr kalt», fügte er hinzu.
    «Diese Mönche sind geizige Hunde», sagte ich. Normalerweise hatte ich wöchentlich eine Karrenladung Feuerholz nach Sankt Rumwold zu liefern, aber diese Abgabe entrichtete ich nicht. Die Mönche konnten sich ihr eigenes Holz hacken. «Wer war Rumwold?», fragte ich Willibald. Ich kannte die Antwort, aber ich wollte Willibald ein wenig necken.
    «Er war ein sehr frommes Kind, Herr», sagte er.
    «Ein Kind?»
    «Ein Säugling», sagte er seufzend, als ihm klarwurde, wohin unser Gespräch führen würde. «Er war kaum drei Tage alt, als er starb.»
    «Ein drei Tage alter Säugling ist ein Heiliger?»
    Willibald wedelte mit den Händen. «Es gibt Wunder, Herr», sagte er, «sie geschehen wirklich. Es heißt, dass der kleine Rumwold jedes Mal Gottes Lob sang, wenn er an der Brust lag.»
    «Das würde ich auch jedes Mal am liebsten tun, wenn ich an eine Brust herankomme», sagte ich. «Bin ich also auch ein Heiliger?»
    Willibald erschauerte und wechselte dann klugerweise das Thema. «Ich bringe Euch eine Botschaft von dem Ætheling», sagte er und meinte damit König Alfreds ältesten Sohn Edward.
    «Dann heraus damit.»
    «Er ist jetzt König von Cent», sagte Willibald fröhlich.
    «Er hat Euch den ganzen Weg zu mir geschickt, um mir das zu sagen?»
    «Nein, nein. Ich dachte, Ihr habt es vielleicht noch nicht gehört.»
    «Gewiss habe ich es gehört», sagte ich. Alfred, der König von Wessex, hatte seinen ältesten Sohn zum König von Cent gemacht, was bedeutete, dass Edward Gelegenheit hatte, sich im Königsamt zu üben, ohne allzu großen Schaden anrichten zu können, denn Cent gehörte immer noch zu Wessex. «Hat er Cent schon zugrunde gerichtet?»
    «Selbstverständlich nicht», sagte Willibald, «allerdings …», er unterbrach sich unvermittelt.
    «Allerdings was?»
    «Oh, es ist nichts», sagte er leichthin und gab mit einem Mal überaus großes Interesse an meinen Schafen vor. «Wie viele schwarze Schafe habt Ihr?», fragte er.
    «Ich könnte Euch auch an den Knöcheln hochhalten und Euch schütteln, bis die Neuigkeiten herausfallen», schlug ich vor.
    «Es ist nur, dass Edward … also», er zögerte, dann beschloss er, mir doch lieber alles zu erzählen, damit ich ihn nicht tatsächlich an den Knöcheln hochhob. «Es ist nur, dass er ein Mädchen aus Cent heiraten wollte und sein Vater die Zustimmung verweigert hat. Aber das ist vollkommen unwichtig.»
    Ich lachte. Also war der junge Edward doch nicht der vollendete Thronfolger. «Und Edward platzt vor Wut, oder?»
    «Nein, nein! Das war nur eine jugendliche Schwärmerei und ist inzwischen längst vergessen. Sein Vater hat ihm verziehen.»
    Ich fragte nichts mehr, obwohl ich dieser Tratschgeschichte viel mehr Aufmerksamkeit hätte widmen müssen. «Und wie lautet nun die Nachricht von Edward?», fragte ich. Wir standen auf der unteren Weide meines Besitzes in Buccingahamm, das im östlichen Mercien lag. Eigentlich gehörte dieser Grund und Boden Æthelflæd, aber sie hatte mir die Abgaben der Bauern überlassen, und das Anwesen war groß genug, um dreißig Hausmacht-Krieger zu ernähren, von denen die meisten an diesem Morgen in der Kirche waren. «Und warum seid Ihr nicht in der Messe?», fragte ich Willibald, noch bevor er meine erste Frage beantworten konnte. «Es ist doch Feiertag, oder?»
    «Sankt-Alnoths-Tag», sagte er, als wäre das ein ganz besonders wunderbares Ereignis. «Aber ich wollte Euch finden!» Er klang aufgeregt. «Ich habe eine Nachricht von König Edward für Euch. Jeder Tag ist ein gewöhnlicher …»
    «Bis er es nicht mehr ist», unterbrach ich ihn schroff.
    «Ja, Herr», kam es lahm von ihm. Dann runzelte er die Stirn. «Was tut Ihr eigentlich hier?»
    «Ich sehe mir die Schafe an.» Und das stimmte. Ich hatte zweihundert oder mehr Schafe vor mir, die zu mir zurückstarrten und erbärmlich blökten.
    Willibald drehte sich zu der Herde um. «Schöne Tiere», sagte er, als ob er wüsste, wovon er redete.
    «Einfach nur Fleisch und Wolle», sagte ich, «und ich lege fest, welche leben und welche sterben sollen.» Es war die Jahreszeit zum Töten, die grauen Tage, während der unsere Tiere geschlachtet werden. Wir lassen ein paar am Leben, damit sie sich im Frühling vermehren, aber die meisten müssen sterben,

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