Der Stern von Yucatan
sie nicht aufgeklärt hatte.
Als Antwort zog er sie zu einem weiteren Kuss an sich. “Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und jede Zeit dazwischen. Ich musste dich daran hindern, einen großen Fehler zu begehen.”
“Aber ich bin nicht verheiratet!”, begehrte sie auf.
“Das wusste ich damals nicht.”
Die Schuld lag allein bei ihr, weil sie es ihm nicht gesagt hatte.
“Ich wusste es nicht”, wiederholte er. “Du trugst einen Ehering, also nahm ich an, dass du verheiratet bist.”
Sie hatte ihm sogar Garys Namen genannt, als er damals nach ihrem Mann fragte. Die ganze Tragweite dieser kleinen Lüge wurde ihr erst jetzt bewusst. Sie hatte achtzehn Monate ihres Lebens vergeudet.
Die Schluchzer begannen plötzlich und kamen tief aus ihrer Seele. Sie weinte wie selten in ihrem Leben, von Reue und Trauer übermannt.
“Ist schon gut”, raunte er und zog sie an sich.
Sie kam in seine Arme, und er wischte ihr die Tränen fort. Erschöpft vom Weinen, wurde sie allmählich ruhiger. Sie küssten sich, und die Leidenschaft loderte wieder auf wie an jenem Tag in Mexico City. Als sie sich voneinander lösten, bekamen sie kein Wort mehr heraus.
Schweigend hielten sie sich fest umschlungen, bis Jack endlich sagte: “Und was diese Sache betrifft, du hättest einen Ehemann.”
“Ja?”
“Sobald sich das einrichten lässt, wird das stimmen.”
20. KAPITEL
L orraine las den Text ein zweites Mal und versuchte sich zu konzentrieren. Das war schwierig, da sie gespannt Jacks Rückkehr erwartete. Die wunderbare Nachricht von dem Baby versetzte sie in übermütige Stimmung. Dennoch musste sie für eine wichtige Chemieklausur morgen büffeln.
Wie versprochen, hatte Jack sie eine Woche nach seiner Rückkehr nach El Mirador zum Traualtar geführt. Pater Garcia hatte die Zeremonie abgehalten. Thomas und Azucena waren ihre Trauzeugen gewesen, und ganz El Mirador hatte gefeiert. Selbst jetzt, fast zwei Jahre später, hatte Lorraine immer noch Schwierigkeiten, das alles zu begreifen.
Die meisten Menschen in der kleinen Küstenstadt waren arm an weltlichen Gütern, doch reich an Liebe und Großzügigkeit. Lorraines Hochzeit mit Jack war die ideale Gelegenheit für sie gewesen, ihr zu zeigen, wie sehr man sie und ihre Klinik schätzte.
Auf dem Marktplatz waren lange Tische mit Speisen aufgebaut worden. Und man hatte ihnen kleine selbst gemachte Geschenke gebracht. Die Feierlichkeiten hatten sich bis spät in die Nacht hinein gezogen, so dass Jack sich genötigt sah, seine Frau unter Hochrufen und Gelächter zu entführen.
Ihre Flitterwochen waren wunderbar gewesen. Und sie musste jedes Mal lächeln, wenn sie an die schönste Woche ihres Lebens dachte. Jack hatte seinen neuen Kabinenkreuzer vor einer kleinen Insel vor der Halbinsel Yucatán geankert, nicht weit von El Mirador entfernt.
Die Tage hatten sie mit Schwimmen und Schnorcheln verbracht und mit dem Erkunden des farbenprächtigen Riffs. Und in den Nächten erkundeten sie einander.
Tatsächlich in Jacks Armen zu liegen und ihn lieben zu dürfen war ein Geschenk gewesen, mit dem sie nicht mehr gerechnet hatte. In der ersten Zeit war ihre Liebe leidenschaftlich, fast hektisch gewesen, als fürchteten sie, dass es nicht andauern könnte. Hinterher hielten sie sich eng umschlungen, und manchmal trauerte sie um die verlorene Zeit.
Nach den Flitterwochen machten sie umfassende Zukunftspläne. Im Laufe der Zeit war Lorraine bewusst geworden, dass El Mirador und Umgebung vor allem einen voll ausgebildeten Arzt brauchten. Jack hatte sie ermutigt, ihr abgebrochenes Medizinstudium wieder aufzunehmen.
Gary Franklin hatte ihr dann von dem pensionierten Allgemeinmediziner erzählt, der eine freiwillige Tätigkeit suchte. Der Mann hatte schon beim Friedenscorps anfangen wollen. Lorraine schrieb ihm von ihrer Klinik – die jetzt Virginia Dancy Medical Center hieß –, und er war mit seiner Frau zu einem zweiwöchigen Besuch gekommen. Sobald Lorraine Dr. Samuel Wetmore sah, wusste sie, dass er der ideale Ersatz für sie war, solange sie ihre Ausbildung beendete. Nach einem Schnellkurs in Spanisch war er nach El Mirador gekommen und hatte mit ihr gearbeitet, bis sie Nachricht von der Uni erhielt, dass man sie ins dritte Studienjahr an der University of Kentucky aufnahm.
Jetzt war ihre Studienzeit fast vorüber, und sie war schwanger. Das Baby war eine Überraschung, aber eine sehr freudige.
Sie wusste nicht, wie sie sich konzentrieren sollte, wo sie doch lieber durch das
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