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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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gebunden fühlte, doch der Bursche war kräftiger als erwartet, und es war eine ganze Weile her, dass sie sich auf diese Weise bewegt hatte. Sie war nicht mehr so reaktionsschnell wie früher und auch nicht mehr so kräftig. Außerdem war sie ein wenig aus der Übung, und die Beengtheit im Van schränkte ihre Möglichkeiten mehr ein, als sie erwartet hatte. Sie hätte nicht zulassen dürfen, dass er sie in den Wagen zerrte. Das hatte sie falsch eingeschätzt.
    Vielleicht hatte sie es zu weit kommen lassen, aber jetzt war keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Ihre geschulten Instinkte und das jahrelange Training übernahmen die Kontrolle und bereiteten jeden Muskel ihres Körpers auf einen Kampf vor, denn eine Flucht war unmöglich.

1.
    Zehn Tage zuvor …
    Manchmal habe ich bedauert, so viele Frauen gewesen zu sein.
    Es waren sehr viele. Tochter, Schwester, starke Frau, schwache Frau, sitzen gelassene Geliebte, coole Heldin, Killerin, weiblicher Cop und Huren unterschiedlichster Art. Jede dieser Rollen habe ich mit Authentizität zu spielen versucht. Natürlich musste ich manchmal lügen und Dinge für mich behalten, aber das ist nicht weiter schwer. Das Problem ist nur, dass beides zur Gewohnheit werden kann, beinahe zur Sucht, die schwer zu überwinden ist, selbst wenn es um die Menschen geht, die einem am nächsten stehen. »Vertraue keiner Frau, die dir verrät, wie alt sie ist«, heißt es. »Wenn sie ihr Alter nicht für sich behalten kann, dann auch nicht dein Geheimnis.«
    Ich bin neunundfünfzig.
    Als ich zum FBI gegangen bin, gab es noch nicht so viele weibliche Special Agents, und das Bureau machte sich das zunutze. Eine eins sechzig große Blondine mit mädchenhaftem Cheerleader-Body kam dem FBI bei bestimmten Ermittlungen sehr gelegen; deshalb waren sie in meinem Fall bereit, bei der Körpergröße ein Auge zuzudrücken. Ich habe vor allem als verdeckte Ermittlerin gearbeitet, hauptsächlich als Köder für Menschenhändler und Triebtäter, die die Staatsgrenzen oder die Grenze der USA überquerten. Ich habe es mit Abschaum zu tun gehabt, von dem Sie in Ihren schlimmsten Träumen nicht glauben würden, dass es ihn gibt, und oft wundere ich mich, dass ich noch lebe.
    Neun Jahre lang habe ich undercover gearbeitet. Das sind ungefähr fünf Jahre mehr als üblich. Meist ist ein Agent nach drei, vier Jahren ausgebrannt oder hat seine Familie verloren. Ich hätte den Job noch länger machen können, weil ich nie geheiratet hatte und kinderlos war. Leider passierte mir dann der Unfall, und mir mussten mehrere Wirbel zusammengeschraubt werden. Aber es hätte schlimmer kommen können. Sie hätten das Pferd mal sehen sollen.
    Die Operation hatte zur Folge, dass ich die körperlichen Erfordernisse meines Jobs nicht mehr erfüllen konnte: über Dächer klettern, Messerstichen ausweichen, einen Lapdance machen, solche Sachen. Ich hätte mich dienstunfähig schreiben lassen können, hatte aber keine Ahnung, wie das Leben außerhalb des FBI aussah, also verbrachte ich den zweiten Teil meiner Karriere mit Ermittlungen. Dann ging ich in den Ruhestand.
    Das heißt … nein. Das ist nicht die ganze Wahrheit.
    Gegen Ende meiner Zeit beim FBI hatte ich zunehmend Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen. Vor ungefähr sechs Jahren, nachdem ich einen jungen Grünschnabel im Einsatz verloren hatte, erschoss ich einen unbewaffneten Täter in der Nähe von Turnerville, Georgia. Anders, als man es im Fernsehen oder im Kino zu sehen bekommt, greifen FBI Agents selten zum letzten Mittel, dem Einsatz tödlicher Gewalt. Das bringt dem Bureau zu viele Scherereien. Denken Sie nur daran, was in Waco oder Ruby Ridge passiert ist, da war die Kacke am Dampfen. Was FBI Agents betrifft, genießen sie längst nicht mehr uneingeschränktes Vertrauen. Vor Gericht wird das gern von der Verteidigung benutzt, indem man uns als bösartig oder skrupellos darstellt – und dazu fähig, Beweise zu fälschen oder die Tatsachen zu verdrehen, bis sie passen.
    Jedenfalls, was diese Sache in Turnerville angeht, zog der Vorfall eine Ermittlung durch unsere Abteilung für innere Angelegenheiten nach sich. Ergebnis: Selbstmord vermittels Cop . Die zivilrechtliche Klage der Hinterbliebenen des von mir erschossenen Mannes zog sich lange hin und war kostspielig. Das ist noch so eine Sache, die man in Filmen nicht zu sehen bekommt – dass mancher Serienkiller eine große nette Familie hinterlässt, einschließlich einer humpelnden Schwester, die behinderte

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