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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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PROLOG
    HAMBURG, JANUAR 2007
    Der leichte Schneeregen war zu einem regelrechten Schneegestöber geworden. Innerhalb von einer halben Stunde hatte sich auf die grauschwarze Asphaltstraße ein weißer Teppich gelegt. Außer einem Wagen vom Winterdienst, dessen Scheinwerfer den weißen Schnee in gelbe Honigflocken verwandelten, fuhr nur ein Streifenwagen langsam den Mittelweg in Pöseldorf entlang. Die Reifen drehten durch, und der Wagen schlug nach hinten aus, wie eine wilde Stute, die einen unliebsamen Reiter auf sich sitzen hat. Es war nach Mitternacht, und kein vernünftiger Mensch setzte sich jetzt noch ans Steuer. Leider, denn die beiden jungen Polizisten, die seit zwei Jahren miteinander Streife fuhren, hatten einen lukrativen Nebenverdienst während ihrer Nachtschichten am Wochenende entdeckt und waren darauf aus, auch heute Nacht ihr schmales Gehalt etwas aufzubessern.
    Â»Das wird wohl heute nichts. Kein Betrunkener setzt sich heute noch ans Steuer«, sagte Boris Sommer, und Ärger schwang in seiner Stimme mit. Sein rundes Gesicht mit den blauen Augen, der kleinen Stupsnase und dem vollen Mund hätte ohne die kurz geschorenen blonden Haare und den linkischen Blick weich gewirkt, so aber sah er eher wie ein primitiver Schlägertyp aus als wie ein Polizist.
    Â»Vielleicht gerade, weil sie denken, dass sie sowieso keiner anhält.« Thomas Stein sah auf die Uhr. »Es ist gerade mal ein Uhr. Die Nachteulen verlassen den Bau erst gegen drei. Und dann kannst du wieder deinen Spruch aufsagen. ›Guten Abend, Fahrzeugkontrolle, haben Sie etwas getrunken?‹« Stein grinste seinen Kollegen dümmlich von der Seite an.
    Â»Guck nach vorn, Mann«, erwiderte Sommer genervt.
    In der Schule hatten sie den kleinen, dicken Stein gehänselt. Heute war er zwar immer noch klein und dick, aber seine Uniformbrachte ihm zumindest bei den Normalbürgern den nötigen Respekt ein. Bei den Fahrzeugkontrollen mit Sommer wagte es keiner, frech zu werden. Wenn er ehrlich war, war es ihm aber ganz recht, dass das Wetter heute nicht mitspielte, denn richtig wohl war ihm nie dabei, wenn sie sich schmieren ließen, um angetrunkene Fahrer weiterfahren zu lassen. Manchmal konnte er wegen des schlechten Gewissens nicht einschlafen.
    Sommer war dagegen ganz anders gestrickt. Alle ließen sich für ihre Leistungen bezahlen, sagte er immer, und wenn man den Leuten das Theater mit Papierkram, Führerscheinentzug und Anwaltskosten ersparte, konnten sie dafür ja wohl auch in die Tasche greifen.
    Sommer fing an, umständlich in seinen Hosentaschen zu kramen, und holte schließlich ein Feuerzeug heraus. »Scheiße, ich hab noch ’ne Rechnung in der Spielhalle offen. Hatte heute mit fetter Beute gerechnet.« Er zündete sich eine Zigarette an, zerdrückte anschließend die leere Zigarettenschachtel in der Hand und warf sie aus dem Fenster. Sofort zog blauer Rauch durch das Innere des Streifenwagens.
    Stein hustete, um seinem Kollegen damit klarzumachen, dass es ihn störte, wenn Sommer im Auto rauchte, aber der hatte sich noch nie für die Bedürfnisse anderer interessiert, am wenigsten für die seines Kollegen. »Ich brauche Zigaretten«, sagte er und blies den Rauch in Steins Richtung.
    Stein rieb sich die Augen und lenkte den Wagen an den Straßenrand. Seit einer Woche quälte er sich nun schon zum Dienst, obwohl er sich wegen dieser verdammten Erkältung hätte krankschreiben lassen müssen. Er wischte sich mit dem Handrücken den Rotz ab und beugte sich zum Handschuhfach, um nach dem Päckchen Taschentücher zu suchen, das er dort deponiert hatte.
    Im Licht der Straßenlaterne tanzten die Schneeflocken wie wild gewordene Bienen, die ihren Stock verteidigten. Die Scheibenwischer bewegten sich geräuschlos von einer Seite zur anderen. Und mitten in dieser winterlichen Szene, gerade als Stein denKopf wieder hob und sich das Taschentuch vor die Nase hielt, überquerte ein schattenähnliches Wesen schleppend die Straße, verschwand auf der anderen Seite zwischen parkenden Autos und tauchte dahinter erneut auf. Stein schaute ungläubig seinen Kollegen an, der an seinem Handy herumfummelte.
    Â»Hast du das gesehen?«
    Â»Was?«
    Â»Na ja, das da.« Stein zeigte mit dem Finger auf den Schatten, der in eine Seitenstraße abbog. Sommer beugte sich nach vorne, näher an die Scheibe heran, um besser sehen zu können.
    Â»Ich

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