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Der Strandlaeufer

Der Strandlaeufer

Titel: Der Strandlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boëtius
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Nacht für Nacht produzierte wie einen Kokon, der ihn schützte. Doch dann war da plötzlich seine Stimme. Sie schlüpfte aus dem Kokon und stieß hart seinen Namen in die Telefonmuschel, so dass ich den Hörer weghielt.
    Mein Vater hatte alle seine negativen Eigenschaften beibehalten, Starrsinn, Unsensibilität, bockige Eigenliebe, Insistieren auf konservativen Vorurteilen. Doch sie hatten sich inzwischen zu ihrem Vorteil verändert, hatten die Patina des hohen Alters und wirkten auf mich nicht mehr abschreckend. Eher machten sie mich sentimental, erzeugten bei mir hilflose Gefühle von Sohnesliebe.
    »Aber«, wollte ich nach jedem seiner kurzen Sätze einwenden, doch weiter kam ich nie. Dieses €›Aber€‹ verwandelte sich daher jedes Mal in eine ohnmächtige Pause, in der ich mir eingestehen musste, dass er auf Grund seines biblischen Alters wie Moses in allem Recht hatte, was er sagte, so, als handelte es sich bei seinen Ąußerungen nicht um Argumente, sondern um steinerne Tafeln, die von der Hand eines ewig Lebenden beschriftet waren.
    »Ich mache mir Sorgen um dich«, sagte er. Ich schwieg.
    »Du lebst ungesund.«
    »Aber...«, wollte ich sagen. Doch er fuhr schon fort: »Du isst zu fett, du hast ܜbergewicht.«
    »Aber wie kannst du das denn am Telefon wahrnehmen... «
    Auch diesen Einwand erstickte er, indem er sagte: »Disziplin war noch nie deine Stärke.«
    Ich sagte schnell: »Ja, das kann schon sein.«
    Diesmal war die Pause auf seiner Seite besonders lang, und die nächsten Worte, die er hervorstieß, kamen mir wie Gegenstände vor, die er nach mir warf. »Es geht mir nicht gut. Ich fürchte, ich werde langsam alt. Die Kraft lässt nach. Ich habe heute das Laub zusammengerecht und zehn Schubkarren in den Wald gefahren, dann war ich so erschöpft, dass ich ins Haus gegangen bin.«
    »Aber Vater«, wollte ich sagen, »ich wäre schon nach fünf Schubkarren viel erschöpfter gewesen als du.« Doch ich brachte nur eine Floskel zustande: »Ich finde es toll, wie leistungsfähig du noch bist.«
    »Was weißt du schon von mir«, knurrte er. »Iß nicht so viel. Und vor allem, trinke weniger.« Dann legte er auf.
 

 

Kapitel 4
    D ie Dinge kamen ein wenig in Bewegung, als ich den Flohmarkt der Stadt besuchte. Auf der sich unterhalb der Stadt entlangziehenden Uferstraße wird an Wochenenden unter Schirmen nutzloser Trödel verkauft, Berberware, Schmuck von zweifelhaftem Wert, afrikanische Masken, die wahrscheinlich in Asien produziert werden, Töpferware mit kleinen Fehlern, Amphoren, die durch allerlei Tricks, Schmutz, Asche und schwarze Farbe künstlich gealtert werden, so dass sie für den Laien aussehen, als habe man sie ausgegraben oder vom Grunde des Meeres geholt, während sie in Wahrheit aus dem Brennofen einer nahegelegenen Fabrik für Blumentöpfe kommen.
    Ich schlenderte an den Ständen entlang und beobachtete die Leute, die wenigen Touristen, die es um diese Jahreszeit noch gab, die Händler, die versuchten, ihnen ihre Ware aufzudrängen. Mich selbst interessierte nichts. Ich hatte inzwischen fast eine Abneigung gegen jede Art von Antiquitäten, vielleicht bedingt durch das Bewusstsein, allmählich selbst in diese Kategorie zu gehören.
    Halb verborgen zwischen bedruckten Stoffen, entdeckte ich auf einem der Tische eine Schreibmaschine, die mir vertraut vorkam. Das Ąußere des dunkelhäutigen Verkäufers, seine grauen Locken, sein asketisch geschnittenes Gesicht, das selbst einer afrikanischen Maske glich, und zwar einer echten, flößte mir Vertrauen ein. Ich sah mir die Schreibmaschine näher an. Sie trug den Markennamen €›Erika€‹ und war offenbar das gleiche Modell, das auch mein Vater besitzt. Ich fragte nach dem Preis. Er nannte eine viel zu hohe Summe. »Ist sie noch in Ordnung?«, fragte ich. »Ja, völlig«, sagte er und lachte wie jemand, der es genießt, die Unwahrheit zu sagen. Er ließ nicht mit sich handeln, und so kaufte ich das Gerät zu dem überhöhten Preis und schleppte es nach Hause.
    Sie war keineswegs in Ordnung. Die Typen klemmten, der Wagen verhakte sich beim Transport. Ich machte mich an die Arbeit. Ugo, mein Hauswirt, lieh mir Werkzeug. Glücklicherweise bin ich geschickt in solchen Dingen, und so hatte ich die Maschine bald so weit, dass man mit ihr einigermaßen schreiben konnte. Ich betrachtete sie liebevoll, wie ein Fossil aus jener Zeit, in der ich den Beruf des Schriftstellers noch ausgeübt hatte, ohne dabei an Geld zu denken.
    Mein Vater benutzte

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