Der Strom, der uns traegt
und Rindfleischsoße, während wir einfach von unserem Schweinefleisch aßen. Sie hatte auch ein Schälchen echte Butter und separate Töpfchen mit Gemüse sowie weich gekochte Äpfel und Birnen. Der Vater irrte sich manchmal, ab und zu löffelte er aus den Töpfchen der Mutter, er wusste auch, was gut war. Dann machte die Mutter ein böses Gesicht, und wenn der Vater sich gleich darauf wieder irrte, sagte sie:
»
Tu das nicht, dann hab ich nichts mehr
.«
ALT UND ARM
Alt und arm, das war ein Schreckensbild. Der Vater hat uns immer wieder eingeschärft, dass alt und arm das Schlimmste war, was einem passieren konnte. Denn früher gab es keine Rente. Deshalb war der Vater so auf jeden Cent aus. »Alt und arm«, sagte der Vater, »das ist was Schlimmes.« Wir wussten es, alt und arm, was Schlimmeres gab es nicht.
Als Kind hatte ich es schon gesehen. Die alten Männer in der Schmiede in ’s-Heerenhoek. Ausgelöschtes Leben. Sie standen am Feuer, man sah ihre Silhouetten. Der Schmied schürte das Feuer mit dem Blasebalg, die Funken stoben durch die Luft, es war schön anzuschauen. Und die alten Männer standen einfach da, angenehm warm hinter der Kiste mit der Anthrazitkohle. Und da blieben sie bis mittags. Hier gab es eine Wärme, die kein Geld kostete, und zu Hause war es auch nicht schön, denn oft wohnten sie bei ihrer Schwiegertochter, und die war froh, wenn der Alte mal eine Weile weg war.
Später habe ich in Gedanken oft diese alten Männer wieder vor mir gesehen. Wenn wir bei Wind und Wetter arbeiteten, wenn wir in zugigen Scheunen übernachteten. Alt und arm, das durfte uns nie passieren. Deshalb lebten wir so ärmlich, deshalb arbeiteten wir wie die Verrückten. Um ja nicht alt und arm zu enden. Denn alt und arm, Mann, sei still. Alt und arm, Mann, hör doch auf.
DAS STÖVCHEN
Es ist ein rauer Herbstmorgen. Die Mutter ist aus dem Alkoven gekommen und sitzt vor einem Brot mit Ei. Sorgfältig hat sie das größte Ei ausgewählt, sie ist ja kränklich, sie muss sich stärken. Ein paar Stunden zuvor sind wir mit dem Fahrrad losgefahren zum Reetdachdecken, einige Kilometer weiter. Der Vater, Bram, Merien und ich.
Die Mutter fängt mit ihrer Arbeit an. Den Boden fegen, die Hühner versorgen, das Federbett wenden. Die Schüsseln abspülen, eine Kanne Wasser in den Vorratsschrank stellen, Kartoffeln unter dem Alkoven hervorholen. Im Lauf des Vormittags wird sie immer wieder auf die Uhr schauen und seufzend sagen: »Jetzt ist es schon so spät, und ich bin immer noch nicht fertig.« Gegen zwölf fängt sie an, Essen zu kochen, denn die Mutter isst mittags immer allein eine warme Mahlzeit. Was übrig bleibt, stellt sie weg, dann bekommen wir abends die aufgewärmten Reste. Ohne Rindfleisch und echteButter natürlich, die sind nur für die Mutter. Nach dem Essen stellt sie eine Schüssel Wasser auf den Tisch. Sie wird sich schön machen. Sie nimmt ihre große seeländische Haube ab und dann ihre kleine Haube, die Untermütze. Sie legt ihr Tuch und das Mieder ab. Gründlich wäscht sie Gesicht, Hals und Nacken. Die Arme, die Hände. Dann zieht sie ein anderes Tuch und ein Mieder an. Sie kämmt ihre dünnen Haare zu einem Dutt. Sie setzt ihre kleine Haube wieder auf, dann die große. Dabei benutzt sie Nadeln, viele Nadeln. Angestrengt schaut sie, den Kopf manchmal zur Seite geneigt, in den großen Spiegel, der neben dem Fenster hängt. Die Haube muss gerade sitzen, das gehört sich so, das ist wichtig. Dass die Haube nicht schief sitzt. Das darf man sich nicht vorstellen!
So. Endlich. Die Arbeit ist fertig, sie kann sich hinsetzen. Aber zuerst macht sie ihr Stövchen fertig, dann hat sie den ganzen Nachmittag schöne warme Füße. Mit der Kohlenzange spaltet sie ein glühendes Brikett, das im eisernen Kohlenherd liegt, in der Mitte durch. Vorsichtig nimmt sie mit der Zange das halbe Brikett und legt es in das Tongefäß. Die andere Hälfte legt sie in den Aschkasten. Über das Kohlenstück im Tongefäß kippt sie etwas Asche, sonst würde es zu heiß, das könnte ihre Strümpfe ansengen oder ihre Füße verbrennen. Die Mutter stellt das Tongefäß in das Stövchen und setzt sich hin, die Füße auf dem warmen Stövchen. Kein bisschen Wärme geht verloren, denn ihre Röcke reichen bisauf den Boden, die ganze Wärme bleibt dort, wo sie sein soll, unter Mutters Röcken. Wenn das Stövchen im Lauf des Nachmittags kalt wird, holt sie das andere halbe Brikett aus dem Aschkasten. Es ist dann zwar erloschen, aber noch
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