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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Raths Vater hatte von einer Rückkehr in die Rheinprovinz abgeraten, auch wenn es nur um Düsseldorf ging und nicht um Köln. Zu gefährlich, hatte Kriminaldirektor Engelbert Rath gesagt, LeClerk und seine Zeitungen könnten davon Wind bekommen, dass Gereon Rath noch als Polizist arbeitete, und dann wäre alles umsonst gewesen, was man vor einem Jahr arrangiert habe.
    Ärgerlich! Die Düsseldorfer Mordserie war der spektakulärste Kriminalfall Preußens seit Jahren: neun Morde, dazu weitere Mordversuche binnen weniger Monate. Die Düsseldorfer Polizei war von einem einzigen Täter ausgegangen und hatte damit eine unbeherrschbare Hysterie in der Stadt ausgelöst. Gennat hielt nichts von solch voreiligen Schlüssen, er hatte für jeden einzelnen Düsseldorfer Mord dessen jeweilige Besonderheiten herausgearbeitet. Ein Fall wie geschaffen für die Monatshefte. In jeder Ausgabe berichtete Gennat über den Stand der Ermittlungen, die allerdings auch mit der prominenten Berliner Hilfe nicht vom Fleck kamen. Mangels anderer vorzeigbarer Ergebnisse hatte Gennat die Opfer akribisch aufgelistet: die neun Toten, aber auch vier Schwer- und fünf Leichtverletzte, alle binnen weniger Monate im Raum Düsseldorf aktenkundig geworden. Die sechsundzwanzigjährige Hausangestellte Sch., deren Schicksal Gennat so eindringlich beschrieb, hatte nur deshalb mit schweren Verletzungen überlebt, weil der Täter gestört worden war.
    Rath hatte jede Folge gelesen, während er am Alex die Stellung hielt und sich mit Kleinkram herumschlagen musste. Mit den Resten, die Oberkommissar Böhm bis zu ihm unter den Tisch fallen ließ, denn ausgerechnet Bulldogge Böhm hatte Gennat am Alex für die Zeit seiner Abwesenheit mit der Leitung der Mordinspektion betraut. Und das bedeutete für Gereon Rath: stumpfsinnige Laufburschendienste oder bestenfalls Fälle, die sonst niemand haben wollte. Wie der von Isolde Heer, die in Schöneberg vor zwei Tagen ihren Gasherd aufgedreht hatte, ohne ihn anzuzünden: Suizide, die zwar viel Arbeit machten, bei denen man aber garantiert nicht Gefahr lief, sich mit Ruhm zu bekleckern. Solche Fälle gab es derzeit reichlich, Selbstmorde hatten Konjunktur diesen Winter. Meistens wurden sie von der örtlichen Kriminalpolizei in den jeweiligen Revieren bearbeitet, ein paar schafften es aber immer mal wieder bis zum Alex. Und dort landeten sie zielsicher auf dem Schreibtisch von Gereon Rath.
    Eine deprimierende Arbeit.
    Rath blätterte in der Zeitschrift und suchte die Stelle, an der ihn der Kellner unterbrochen hatte.
    Hiernach spürte die Sch. plötzlich einen Messerstich oder Schnitt am Halse und schrie laut um Hilfe. Sie glaubte, auf ihre Hilferufe sofort Gegenrufe gehört zu haben. »Baumgart« stach nun wahllos von vom auf sie ein und versetzte ihr schließlich einen heftigen Stich in den Rücken. Hierbei brach, wie bereits mehrfach erwähnt, die Spitze des Dolches ab und blieb im Rücken stecken...
    »Telefon für Kommissar Rath!« Ein Boy spazierte durch die Tischreihen und reckte ein Pappschild in die Luft, auf dem große Blockbuchstaben das Wort Fernsprecher bildeten. »Kommissar Rath bitte ans Telefon!«
    Rath brauchte ein paar Sekunden, bis er merkte, wer gemeint war, und hob die Hand wie in der Schule. Einige Gäste drehten ihre Köpfe nach ihm um, als der Boy an seinen Tisch trat.
    »Wenn Sie mir bitte folgen wollen... «
    Rath legte die Zeitschrift als Platzhalter auf den Tisch. Ob Kathi ihm telefonisch eine Absage erteilen wollte, rätselte er, als er dem Pappschild zu den Telefonzellen folgte. Wenn sie es so wollte! Dann müssten sie es eben am Telefon hinter sich bringen!
    »Kabine zwei«, sagte der Boy.
    Hier gab es gleich zwei Fernsprecher, hinter verglasten Türen aus dunklem Holz. Über der rechten leuchtete ein Lämpchen. Der Boy zeigte auf die messingglänzende Zwei direkt neben dem Lämpchen.
    »Nehmen Sie einfach den Hörer ab«, sagte er, »Ihr Gespräch ist bereits durchgestellt.«
    Rath ging hinein und schloss die Tür. Vom Stimmengemurmel aus dem Lokal war kaum noch etwas zu hören. Er nahm den Hörer in die Hand, holte tief Luft und meldete sich.
    »Rath? Sind Sie das? Na endlich!«
    »Herr Oberkommissar ?«, fragte Rath. Überflüssigerweise. So bellte nur einer seine Worte ins Telefon.
    Oberkommissar Wilhelm Böhm.
    Die Bulldogge hatte ein unfehlbares Gespür dafür, ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen. »Wo treiben Sie sich denn rum, Mann? Sie sollten Ihre Mitarbeiter etwas gründlicher

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