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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Schulter und gab Janor die Hand. Der Mann aus der Luft-Gilde hatte lange, sensible Finger, und ich spürte, dass er nervös war. Janor schloss die Augen.
    Hoffentlich beeilt er sich , dachte ich. Die Luft in der kleinen Kuppel wurde immer schlechter, wir mussten bald wieder nach oben tauchen. Vielleicht waren die Skas inzwischen weitergezogen.
    »Ich sehe eine große Stadt«, sagte Janor, und sein Gesicht zuckte. »Die Felsenburg der Regentin. Einen dunklen Raum tief unter der Erde.«
    »Guck noch mal hin«, sagte ich und musste grinsen. »Ich mag weder Städte noch geschlossene Räume. Wenn das meine Berufung ist, sollte ich mich vielleicht gleich ertränken.«
    »Du bist auf der Suche«, fuhr Janor fort. Er hatte die Augen noch immer geschlossen. »Ein Suchender. Immer und immer wieder.«
    Zeitverschwendung , ging es mir durch den Kopf. Dass ich auf einer Suche bin, weiß ich schon seit einem Winter . »Was meinst du damit, immer und immer wieder?«
    Janor öffnete die Augen. Er sah verwirrt aus. »Keine Ahnung. Das kam mir einfach so in den Kopf. Man lernt als Vorhersager, das auszusprechen, was einem als Erstes in den Sinn kommt.«
    In diesem Moment zündete etwas in mir. Aufgeregt entriss ich die Hand Janors Griff. »He, Moment mal! Sucher. Du meinst Sucher. Ich könnte ein Sucher werden.«
    »Du meinst, jemand, der durch die Gegend zieht und Leuten hilft, verlorene Dinge und Menschen wieder zu finden? Der Fremde durch die Provinz begleitet?«
    »Ja, genau.« Mein Herz pochte wie nach einer Länge schnellen Schwimmens. »Warum bin ich nicht schon längst darauf gekommen? Ich bin gerne unterwegs, kann tiefer tauchen als die meisten Leute und komme gut mit Menschen zurecht. Mit dem richtigen Meister, der mir ein bisschen was beibringt, wäre ich bestimmt ein brauchbarer Sucher.« Mein Ehrgeiz war geweckt. »Sag mal, wer ist eigentlich der beste Sucher von Daresh?«
    Janor dachte nach. »Der Große Udiko, glaube ich. Jedenfalls war er das mal. Inzwischen hat er sich zur Ruhe gesetzt.«
    Ja, natürlich. Das war ein Name, den ich auch schon gehört hatte. Als junger Mann hatte Udiko, der so wie ich zur Wasser-Gilde gehörte, die alten Schriften der Daniquaa entdeckt, später hatte er den Dolch des Gibra Jal gefunden, der Generationen lang verschwunden gewesen war. Und natürlich hatte er zahllosen Menschen geholfen, welche die Dienste eines Suchers gebraucht hatten. Jedes Kind kannte die Geschichten, wie Udiko der Witwe Julika unter Lebensgefahr ihre zauberkräftige Muschel zurückgeholt hatte. Wie er den abtrünnigen Kurier aufgehalten hatte, bevor er das Seenland verraten konnte. Und wie er durch sein Geschick und seine Klugheit im berühmten Wettstreit der Sucher gesiegt hatte.
    Aber ich wusste auch, was für einen Ruf der Alte sonst noch so hatte. »Stimmt es, dass er kleine Kinder zum Frühstück frisst und nur noch Aufträge annimmt, die andere als hoffnungslos abgelehnt haben?«
    »Keine Ahnung.« Janor blickte mich neugierig an. »Willst du‘s herausfinden? Ich habe gehört, dass er jetzt in der Nähe der Xanthu-Seen lebt.«
    »Immerhin: Ich bin kein Kind mehr und zum Fressen zu groß«, sagte ich, bedankte mich bei Janor für die Deutung und machte mich auf den Weg.
    Ich fand den Großen Udiko ohne Schwierigkeiten; auf meinen Reisen war ich schon einmal in der Nähe von Xanthu vorbeigekommen. Der berühmte Sucher wohnte, wie ich herausfand, in einem kleinen See, der aus dem nahen Vulkangebiet ständig Nachschub an heißem, leicht schwefelig riechendem Wasser bekam. Ich verzog das Gesicht. Hier drin zu schwimmen, war bestimmt furchtbar gesund – für alte Knochen. Mir waren die tiefen, kalten Seen der Colaris-Region, in denen ich aufgewachsen war, sehr viel lieber.
    Eine silbrig schimmernde, altmodisch hohe Luftkuppel war das einzige Gebäude auf dem sandigen Grund des Sees. Ich tauchte hinunter und schlüpfte in den Vorraum der Kuppel. Jetzt bin ich ja mal gespannt , dachte ich gut gelaunt und stieß den traditionellen Begrüßungsruf aus. Seit Tagen hatte ich im Kopf formuliert, was ich sagen würde, wenn ich dem Großen Udiko gegenüberstünde. Natürlich weiß ich, dass Ihr Euch schon zu Ruhe gesetzt habt, aber ich habe schon so viel von Euch gehört und will nur von einem Meister wie Euch lernen ...
    Der Vorhang wurde zurückgerissen, und der Große Udiko stand vor mir. Ein Koloss mit buschigem, weißem Haar, durchdringenden eisblauen Augen und wulstigen Lippen. Er überragte mich um einen ganzen Kopf

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