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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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1. Gestohlene Träume
     
    Mein Name ist Ulric Graf von Bek und ich bin der Letzte meines Geschlechts. Als kränkliches Kind und gezeichnet mit dem Familienleiden des Albinismus wurde ich in den ersten Jahren des Jahrhunderts im sächsischen Bek geboren und erzogen. Man hat mich ausgebildet, unsere Provinz weise und gerecht zu regieren und in bester Tradition der protestantischen Kirche den Status quo zu bewahren.
    Meine Mutter starb bei meiner Geburt, mein Vater kam bei der schrecklichen Feuersbrunst, die unseren alten Turm teilweise zerstört hat, ums Leben. Alle meine Brüder waren erheblich älter als ich und vorwiegend in Übersee in der Militärdiplomatie tätig, sodass unser Anwesen, wie man allgemein befand, in meine Verantwortlichkeit fiel. Man erwartete nicht von mir, dass ich meine fremdartigen, hellroten Augen länger als unbedingt nötig dem gewöhnlichen Tageslicht aussetzte. Ich nahm diesen Urteilsspruch, der nichts anderes als meine Einkerkerung bedeutete, pflichtschuldigst hin. Viele meiner Vorfahren hatten Ähnliches erlitten. Es gab schreckliche Geschichten über das Schicksal der Albino-Zwillinge, die meine Urgroßmutter zur Welt gebracht hatte.
    Jegliches Unbehagen hinsichtlich meiner Rolle verflüchtigte sich rasch, als ich mich in meinen Jugendjahren mit einem katholischen Priester aus der Gegend anfreundete und ein leidenschaftlicher Fechtsportler wurde. Morgens diskutierte ich mit Pater Cornelius über die Theologie, nachmittags übte ich mich im Schwertkampf. Meine ganze Verwirrung und Enttäuschung legte ich in diese elegante und gefährliche Kunst hinein. Es war etwas ganz anderes als die alberne, draufgängerische Prahlerei und Angeberei, der sich die neureichen und adligen Bürgersöhnchen hingaben, wenn sie in Heidelberg ebenso phantasievolle wie lächerliche Rituale frühreifer Männlichkeit absolvierten.
    Kein wahrer Liebhaber des Schwerts würde seiner Waffe einen solch geschmacklosen, läppischen Unsinn zumuten. Ohne allzu große Affigkeit, wie ich doch hoffe, bin ich so ein echter Schwertkämpfer geworden, ein Experte in der Kunst des Duells bis auf den Tod. Denn für einen Existenzialisten wie mich ist die Entropie der einzige Feind, den zu fordern sich lohnt. Die Entropie zu besiegen bedeutet, einen Kompromiss mit dem Tod zu schließen, der in unseren Konflikten am Ende doch immer der Sieger bleibt.
    Es spricht einiges dafür, sein Leben einer unerfüllbaren Sehnsucht zu widmen. Besonders leicht fällt dies womöglich einem einsamen adligen Albino, der sich dem Idealismus vergangener Jahrhunderte verpflichtet fühlt, von den Zeitgenossen verachtet und von den Pächtern misstrauisch begafft. Einem, der am liebsten liest und grübelt. Einem, der dennoch nie vergisst und nie verleugnet, dass außerhalb der alten, dicken Mauern Beks die Welt in meinem reichen und vielschichtigen Deutschland nach einfacheren Klängen zu marschieren begann. Nach Klängen, die das Bewusstsein der Menschen betäuben konnten, bis diese sich zu einem neuen Krieg verleiten ließen. Bis sie sich abermals selbst vernichteten.
    Schon als Jugendlicher stürzte ich mich nach einem anregenden Schulausflug ins Niltal und zu anderen großen Geburtsstätten unserer Zivilisation auf das Studium des Altertums.
    Um mich herum wuchs das alte Bek. Das mit einem Turm versehene Haupthaus, an das man im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Zimmer und Flügel angebaut hatte, reckte sich aus üppigem Grün und dem dichten, hügeligen Waldland in Bek wie ein Baum empor, umgeben von Zedern, Pappeln und Zypressen, die von den Kreuzfahrern unter meinen Ahnen aus dem Heiligen Land mitgebracht worden waren, umgeben auch von sächsischen Eichen, mit denen meine noch früheren Ahnen ihre Seelen vermählt hatten, um sich mit den Wurzeln des Weltenbaums zu verbinden. Jene Vorfahren haben zuerst gegen Karl den Großen und dann mit ihm gekämpft. Sie schickten zwei Söhne nach Roncesvalles. Es waren irische Piraten. Sie kämpften gegen König Ethelred von England.
    Mein Lehrer war der alte von Asch, ein dunkelhäutiger, knorriger und runzliger Mann, den meine Brüder ›die Walnuss‹ nannten. Seit ihr frühester Vorfahr eine Bronzewaffe gehoben hatte, waren die von Aschs Schmiede und Schwertkämpfer gewesen. Er liebte mich. Ich war das Gefäß, das seine Erfahrungen aufnehmen wollte. Ich war bereit, alles zu lernen und jeden Trick zu versuchen, um meine Fähigkeiten zu vervollkommnen. Was immer er verlangte, früher oder später wurde

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