Der Talisman (German Edition)
verborgen, die Belüftungsrohre des Laboratoriums. Und tatsächlich: Es dauerte nicht lange und dicker, schwarzer Qualm stieg auf. Frau Masa wandt sich ab. Ärgerlich schnaufend zog sie den Schlüssel aus der Schürzentasche und öffnete die Haustür. »Immer diese Kokelei dort unten! Ich will gar nicht wissen, wie Herr Kyril und seine Gäste aussehen!« In diesem Moment setzte sich ein schwarzer Schmetterling auf ihre Hand. »Ha! Sogar der arme Schmetterling ist dreckig geworden! Hast wohl auf der Belüftung gesessen! Mal schaun, ob Tante Masa dich wieder sauber bekommt!«, grollte sie und warf einen bitterbösen Blick in Richtung Kellertür. In der Küche setzte sie den Schmetterling vorsichtig auf den Wasserhahn. Artig klappte der Falter seine Flügel auseinander und blieb still sitzen. Frau Masa lächelte. Der Platz schien ihm zu gefallen. »Wenn ich das Essen fertig habe, schauen wir mal nach, welche Farbe du unter der ekligen Rußschicht hast!«
Der schwarze
Schmetterling kniff
ärgerlich die Äuglein zusammen und flatterte auf die Küchenlampe. Aber das bemerkte Frau Masa nicht. Sie hatte sich umgedreht und hastete mit roten Wangen zwischen Herd und Esszimmer hin und her. Als sie um Punkt 12 Uhr die Kellertür öffnete, bemerkte sie gerührt, dass der schwarze Schmetterling ihr folgte. Mit wippender Schleife stapfte Frau Masa die Treppe nach unten, betrat den Vorratsraum und schob die Kräuterbündel zur Seite. Trockene Blättchen rieselten auf den Boden. Mit tollkühnen Flugmanövern wich der schwarze Schmetterling den Geschossen aus und sah gerade noch, wie Onkel Kyrils Haushälterin den losen Ziegelstein aus der Mauer zog und auf einen Knopf drückte. Knarrend öffnete sich die Geheimtür zum Laboratorium. »Das Essen ist gleich fertig!«, brüllte Frau Masa nach unten. »Einen Moment! Wir kommen gleich!«, tönte es aus der Tiefe. Der schwarze Spion flatterte in den Flur. Hinter sich hörte er, dass Frau Masa schnaufend die Treppe erklomm.
Verzweifelt flog er in die Küche. Hier war das Fenster geöffnet, aber ein Fliegengitter versperrte ihm den Weg in die Freiheit. Er untersuchte die feinen Maschen. Gab es denn kein Loch, durch das er entschlüpfen konnte? Panik stieg auf. Die Küche war das Reich der dicken Frau, die ihn waschen wollte! »Pfui Teufel!«, lispelte er leise und flog zurück in den Flur. Da klingelte es an der Haustür. Der kleine Spion fühlte einen schwachen Luftzug, als Frau Masa öffnete. Vor der Tür stand der Postbote mit einem Paket. »Oh weh, der Meister!«, dachte der schwarze Schmetterling. Er bekam Schluckauf und ließ sich hastig auf einem dunklen Bild nieder. Dort breitete er seine Flügel ganz flach aus und hoffte, nicht entdeckt zu werden. Sein leises »Hicks, hicks« wurde von der Stimme des hageren Mannes übertönt. »Gnädige, verehrte Dame! Hier ist ein Paket von der Firma Lecker-Himmel. Es ist sehr schwer. Soll ich es in die Küche tragen?« Frau Masa nickte dankbar und bat den Boten herein. »Lecker-Himmel! Was hat Herr Kyril dort bestellt? Es muss etwas Gutes zu essen sein!«, überlegte sie voller Vorfreude, als sie zur Küche voranging. Der Bote stellte das Paket auf den Küchentisch und wirbelte herum. Das Letzte, was Frau Masa sah, waren seine Augen, das eine blau, das andere braun. Sie riss schützend die Arme nach oben und fiel in Ohnmacht.
Olav Zürban
schüttelte tadelnd
den Kopf und schnippte ein wenig Vergiss-es-Puder vom Ärmel. »Man soll doch keine Fremden ins Haus lassen! War Ihnen das nicht bekannt, meine Beste?«, zischte er und öffnete das Paket. Aufgeschreckt flogen die schwarzen Schmetterlinge aus ihrem Gefängnis. Nach einem letzten Blick auf die Haushälterin verließ der Schwarzmagier die Küche. Im Flur vor dem Bild stoppte er und zischte seinen kleinen Spion an: »Und nun zu dir! Sind Kyril Mayar und Yashas Eltern noch dort unten?« Zaghaft nickte der Schmetterling und schielte sehnsüchtig zur offenen Haustür. »Zeig mir sofort den Eingang zum Laboratorium! Und wehe dir, du weißt nicht, wie die Tür aufgeht, dann zerquetsche ich dich wie einen Wurm!«, donnerte Olav Zürban und packte den zitternden Falter am Flügel.
Die bunt
bemalten Wagen
holperten über die Landstraße. Rechts und links von ihnen erstreckte sich eine Kirschplantage. Yasha saß eingeklemmt zwischen Xenia und Graf Gregorio auf dem Kutschbock. »Das würdest du wirklich für mich tun?«, fragte er gerade. »Na klar begleite ich dich zu Onkel Kyril!«, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher