Der Talisman (German Edition)
darauf an, den Jungen auf die dunkle Seite der Magie zu ziehen. Um dieses Ziel zu erreichen, musste er Clara und Laszlo vernichten, denn freiwillig würden sie ihm Yasha gewiss nicht überlassen. Gemeinsam schmiedeten der Schwarzmagier und die dunkle Seherin einen bösen Plan. Erstaunt las Laszlo Dvorach den Brief. Wie kam der unangenehme Olav Zürban dazu, ihn und seine Familie einzuladen? Clara Dvorach zuckte mit den Schultern: »Warum sollen wir die Einladung ausschlagen? Die Baumruine liegt direkt auf unserem Weg und du bist sowieso neugierig, was der finstere Großmeister der schwarzen Magie von dir will!«
An diesem
denkwürdigen
Novemberabend hüllte sich der Halbdunkelwald in dichte Nebelschwaden. Es roch nach modrigem Laub und feuchter Erde. Die Familie Dvorach war an Olav Zürbans Baumruine angekommen. Die Behausung des Schwarzmagiers war eine riesige, hohle Eiche, die ihre vertrockneten Äste wie knochige Finger in den Himmel reckte. Clara Dvorach war zurückgewichen und drückte ihren Sohn fest an sich. Obwohl Yasha noch so klein war, schien er die Gefahr, in der er sich befand, zu spüren und lag ganz still in den Armen seiner Mutter.
Säbel klirrten. Die beiden Kämpfenden glichen großen schwarzen Raben. Ihre langen Umhänge wehten wie Flügel um sie herum und ihre Waffen glänzten im Mondlicht wie scharfe Schnäbel. Olav Zürban, Großmeister der schwarzen Magie, parierte den Hieb seines Gegners und ging zum Angriff über. Im letzten Moment duckte sich Laszlo Dvorach und die Klinge des Säbels zischte pfeifend an seiner Schulter vorbei. Es war ein furchtbarer Fehler gewesen, dass er der Einladung von Olav Zürban und der dunklen Seherin in den Halbdunkelwald gefolgt war.
Aber wie hätte er ahnen können, dass Olav Zürban es auf seinen Sohn abgesehen hatte? Ausgerechnet auf das Kind eines Weißmagiers!
»Touché!«,
brüllte Olav Zürban
triumphierend. Im selben Moment spürte Laszlo Dvorach einen harten Schlag und sank zu Boden. Olav Zürban blickte verächtlich auf seinen bewusstlosen Gegner hinab und gönnte sich ein böses Grinsen. Schnell bückte er sich und schnitt ein Stück von Laszlo Dvorachs Umhang ab. Das Gefühl von grenzenloser Macht stieg in Olav Zürban auf. Bisher war alles nach Plan gelaufen. Er hatte den Weißmagier verletzt und besaß ein Stück seines Umhangs. Das bedeutete, dass Laszlos Zauberkräfte ausreichend geschwächt waren. Nun wurde es Zeit, sich um den kleinen Yasha zu kümmern.
Laszlo Dvorach erwachte von einem brennenden Schmerz. Sein magisches Amulett, das er, seit er denken konnte, um den Hals trug, glühte und mahnte ihn, dass er sich in größter Gefahr befand. Die Hitze des Talismans hatte sein Hemd versengt und einen schmetterlingsförmigen Brandfleck darauf hinterlassen. Verzweifelt schaute sich der Weißmagier um, aber der Platz vor der Baumruine war leer. Von seiner Frau, seinem Sohn und Olav Zürban keine Spur. Voller Sorge lauschte Laszlo Dvorach in die Dunkelheit.
Clara Dvorach
lief so schnell
wie noch nie in ihrem Leben. Auf einer kleinen Lichtung blieb sie stehen. Zweige knackten und Blätter raschelten, der Verfolger kam immer näher. Ihr Herz raste, panisch sah sich die Frau des Weißmagiers nach einem Versteck um. Am Rand der Lichtung wuchs ein hüfthohes Farnfeld. Clara Dvorach kroch zwischen die dichten Farnwedel. Vorsichtig legte sie Yasha neben sich. »Uhu, uhu, uhu«, tönte ein Käuzchen. Das helle Mondlicht ließ die Wassertropfen an einem Spinnennetz im Dunkeln leuchten. Seine Baumeisterin, eine dicke Kreuzspinne, spann, ungerührt vom nächtlichen Besuch, weiter ihre Fäden. Leise Schritte näherten sich der Lichtung. Olav Zürban blieb direkt vor ihrem Versteck stehen. Er war ihnen so nahe, dass Clara Dvorach seine Augen im Mondlicht funkeln sah. Der Schwarzmagier starrte genau in ihre Richtung – hatte er sie gesehen?
Clara hielt den Atem an und versuchte sich noch flacher auf den feuchten Waldboden zu drücken. Yasha begann unruhig zu werden. Da lief tief im Wald ein Tier durchs Unterholz. Abrupt drehte sich der Schwarzmagier um und rannte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Yashas Mutter atmete auf. Lautlos schlich sie aus ihrem Versteck und lief mit Yasha auf dem Arm zurück in Richtung Baumruine, um nach ihrem Mann zu suchen. Laszlo Dvorach sah, wie seine Frau die Lichtung erreichte. Mit Entsetzen entdeckte er hinter ihr Olav Zürban. Im Laufen griff Laszlo nach seinem Talisman und rief:
»Gutes zu
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