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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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die Tür verschließen. Sonst komme die Polizei und hole ihn ab. Patient stürzt zur Tür und stemmt sich dagegen. Als der 2. Nachtpfleger ihn zurückhalten will, nimmt Patient Boxerstellung an. Er wird mit Gewalt ins Bett zurückgebracht.«
    Fräulein Lemoyne fährt dann fort:
    »Der herbeigerufene diensttuende Arzt (Referentin) versucht, den Patienten zuerst suggestiv zu beruhigen. Es sind jetzt Männer und Frauen, die ihn verfolgen. Vor allem ist es ein Mann, der ihn verfolgt und er nennt ihn den ›Meister der goldenen Himmel‹. Auf die Frage, ob dieser Meister mit dem Apostel Petrus identisch sei, blickt Patient lange Zeit ins Leere und antwortet nicht. Da die Erregung zurückkehrt, erhält er Mo. Scop. 1 ccm subcutan. Beim Einstechen der Nadel schreit Patient laut, man wolle ihn umbringen, wie man seinen Freund umgebracht habe. Auf die Frage, wer denn dieser Freund sei erfolgt keine Antwort. Patient schläft ein. Am Morgen ist er wieder aufgeregt. Kommt ins Dauerbad.«
    Soweit die Eintragungen in der Krankengeschichte.
    »Jonny, wie schön, daß du gleich gekommen bist. Hast du dich frei machen können? Ich weiß nicht, was ich anfangen soll. Du sollst mir raten. Ich bin vollkommen erledigt, habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Weißt du, daß diese furchtbare Jane Pochon schon wieder einen Mieter gebracht hat?«
    Madge packte Dr. Thévenoz' Hand, zog ihn zum Klubsessel, drückte ihn, immer noch aufgeregt schwatzend, hinein, machte es sich auf seinen Knien bequem und legte die Hände verschränkt auf seinen Nacken. Ihre blonden Knabenhaare standen unordentlich von ihrem Kopfe ab, was ihr das Aussehen eines verrupften Vogels gab. Die Augen blickten müde.
    »Du hast eigentlich ein liebes Gesicht, Jonny«, sagte sie und streichelte Dr. Thévenoz' Haare. »So beruhigend. Eigentlich begreife ich gut, daß dich im Spital alle Leute gern haben. Und weißt du, wenn ich manchmal häßlich zu dir bin, so tu ich das nicht aus Bosheit. Aber deine ewige Milde und dein ewiges Nachgeben kann mich verrückt machen. Man sollte dich aufrütteln, so…« und sie packte ihn bei den Ohren und schüttelte seinen Kopf. Auf Dr. Thévenoz' Gesicht entstand ein wehmütiges Lächeln, sonderbare Fältchen zitterten in den Augen- und Mundwinkeln, er befreite seine Ohren, packte dann behutsam Madges Kopf und küßte sie auf die Augen. Madge seufzte tief, ihr Körper entspannte sich, sie legte den Kopf auf die Schulter des Mannes und sprach wie in einem Traum:
    »Man glaubt immer, weiß Gott, wie abgehärtet man sei, man hat so viel Elend gesehen und ist hilflos dabeigestanden. Aber man kann sich einfach nicht gewöhnen. Es kommt dann plötzlich so ein armes Menschlein, mit einer Seele, an der andere herumgepfuscht haben, das ganze Werk ist in Unordnung geraten und nun soll man helfen. Da ist der kleine Mann, den diese Pochon gestern gebracht hat, sieht rührend aus, obwohl er eine rote Nase hat und ich sonst Alkoholiker nicht sehr leiden kann. Aber dieser dauert mich. Seine Angst, seine Tränen. Heute morgen hab ich ihn noch im Bad gesehen, wir haben ihn ins Bad tun müssen, da hat er meine Hand gepackt und sie nicht loslassen wollen. Ach«, seufzte Madge, »warum bin ich nicht Uhrmacher geworden. Da könnte ich das Werk auseinandernehmen, hier eine Schraube anziehen, dort eine Achse ölen, und dann ginge die Uhr wieder. Aber bei einem Menschen… Spritzen, Schlafmittel, Bad – und warten, warten, bis der Mann sich entschließt, von selbst wieder gesund zu werden oder bis er es vorzieht, sich ganz in jenes Reich zurückzuziehen, auf dessen Schwelle er steht. Bei diesem Nydecker – hab ich dir gesagt, daß er Nydecker heißt, der kleine Mann mit dem Mausgesicht? – hat man ganz den Eindruck, er sei verirrt. Irgend jemand hat seine Seele gepackt und hat sie dann ausgesetzt in einem Land, wo ihr alles fremd ist. Und da ist die Seele krank geworden, weil sie eine ganz einfache, bürgerliche Seele ist, eine seßhafte Seele, sie hat diesen Klimawechsel nicht vertragen. Ich weiß, ich weiß, ich drücke mich ganz unwissenschaftlich aus, alles, was ich sage, ist gerade das Gegenteil von dem, was in den großen Büchern steht. Aber der Mann leidet doch in dem Reich, in das er verbannt ist, und ich soll ihn nun in die Wirklichkeit zurückführen.«
    Madge schlug die Augen auf, und erst da bemerkte sie, daß auch Thévenoz bedrückt aussah.
    »Was ist los, Jonny, hast du auch Sorgen?«
    Thévenoz fuhr sich mit der Hand über die

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