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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Augen.
    »Weißt du«, sagte er, »wenn dich der kleine Mann beschäftigt, so kann ich diesen Crawley nicht vergessen. Immer muß ich denken, ich habe etwas unterlassen. Ist es dir nicht aufgefallen – ach nein, du kannst nichts gemerkt haben, du hast ihn ja nur knapp vor seinem Tode gesehen… aber ich war fest überzeugt, ihn durchzubringen. Und da kam diese plötzliche Verschlechterung. Die ist mir ein wenig rätselhaft. Auch sein Tod. Der paßt gar nicht zu der Diagnose, die ich im Anfang mit Rosenstock gestellt habe. Nicht wahr, wir haben Hyoscyamin oder etwas Ähnliches vermutet. Aber ist es dir nicht aufgefallen, daß sein Tod eigentlich gar nicht zum Krankheitsbild paßte? Ich weiß schon, wir haben wenig Erfahrung. Aber dieser gespannte Bogen des Körpers, die verkrampften Backenmuskeln – wie Starrkrampf, findest du nicht? Man könnte fast glauben, es sei ihm im Spital noch ein anderes Gift beigebracht worden, in der Überzeugung, man werde nichts merken. Aber von wem? Da ist diese Frau, die wir gestern in der Latham-Bar gesehen haben. Die war im Zimmer. Und ich erinnere mich, gleich nachdem sie fort war, hat man ihm wieder zu trinken gegeben, dem Crawley nämlich. Und ich erinnere mich genau, daß die Frau ihre Handtasche neben den Topf gelegt hat, in dem der Tee war. Ich bin dann fortgegangen und habe Crawley erst wieder gesehen, als wir zusammen mit dem indischen Diplomaten gekommen sind. Und da begann schon der Todeskampf. Ich wagte das nicht der Polizei zu erzählen, denn schließlich habe ich nicht die Sektion gemacht, sondern der Gerichtsarzt. Und ich kenne den Herrn gar nicht, er hat es auch nicht für nötig befunden, mich zu befragen. Und aufdrängen will ich mich nicht.
    Aber nun plagt es mich immer, daß ich etwas versäumt habe. Wir sind eben nicht an so komplizierte Geschichten gewöhnt.«
    »Meinst du, ich sollte der Polizei auch von diesem Nydecker erzählen?« fragte Madge. Die beiden sprachen aneinander vorbei, jeder beschäftigt mit dem, was ihn bedrückte.
    »Nydecker?« Thévenoz mußte sich besinnen. »Ich glaube nicht. Die Geschichte ist ohnehin kompliziert genug, und es genügt doch, daß der Mann bei euch ist, wo er gut aufgehoben ist. Und wem willst du…«
    Da schrillte das Telephon, Ronny bellte verärgert, er war im Schlaf gestört worden. Madge hob den Hörer ab:
    »Lemoyne« meldete sie sich. Dann: »Ja, er ist hier… Übrigens, guten Tag, Rosenstock, wie geht es Ihnen? Schlecht? Warum? Was ist los? Ja, ja, ich rufe Thévenoz gleich… Einen Augenblick – Jonny, Rosenstock will dich sprechen, Alarm in Zion…«, Und sie lachte.
    Thévenoz meldete sich, schwieg dann, man hörte ein fernes Krächzen, die Stimme am andern Ende des Drahtes überschlug sich. »Ich komme«, sagte Thévenoz. Sein Gesicht war alt geworden, er wischte sich den Schweiß von der Stirn, ein heißer Wind drängte sich ins Zimmer, draußen war es düster.
    »Fall Nummer zwei«, sagte Thévenoz. »Ein Apotheker. Gleiche Symptome wie bei Crawley. Was das nur zu bedeuten hat?«

3
    Die Rue de Carouge ist sehr lang und führt fast bis zur Peripherie der Stadt. Dort, wo die Häuser seltener werden, zweigt eine kleine Nebenstraße ab, die von hohen Mietskasernen eingesäumt wird. Im Parterre einer dieser Mietskasernen ist eine primitive Apotheke, die von Herrn Eltester geführt wird, einem alten buckligen Männchen, das über glattem Mund und Kinn einen langausgezogenen grauen Schnurrbart trägt. Herr Eltester hat kluge, ein wenig verschlagene Augen. Er ist gutmütig und hilft gerne dort, wo das Gesetz eigentlich die Hilfe verbietet. In gewissen Kreisen ist er rühmlich bekannt, weil er verschwiegen ist. Seine Menschenkenntnis ist hervorragend, er hilft nur Leuten, die er für verläßlich erkannt hat, und die ihn nicht durch unbedachte Reden mit der Polizei in Konflikt bringen. Nie hat er einen Gehilfen einstellen wollen. Trotzdem es bekannt ist, daß er stets allein ist (auch die beiden Zimmer, die er hinter dem Laden bewohnt, bringt er selbst in Ordnung, und dort empfängt er gewöhnlich seine obskuren Kunden), trotzdem er mit düsteren Elementen zu tun hat – Rauschgiftlieferanten und Süchtigen, Kokotten und Hochstaplern – ist ihm nie etwas zugestoßen. Nie hat jemand versucht, bei ihm einzubrechen – nur einmal ist ein Raubversuch gegen ihn unternommen worden, aber von diesem weiß die Polizei nichts, nur die Eingeweihten haben davon erfahren. Das ging damals folgendermaßen zu:
    Herrn Eltesters

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