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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Prolog

    Rollenspiel

    1932

    New Jersey, in der Nähe von Princeton.
    März 1932
     
    Aus dem Farmhaus Charles Lindberghs drang helles, oran­gegelbes Licht. Das Haus sah in dieser düsteren Tannenwaldgegend von Jersey wie ein brennendes Schloß aus. Feuchte Nebelfetzen streiften den Jungen, als er immer näher an den ersten Augenblick wahren Ruhms herankam, seinen ersten Mord.
    Es war pechschwarz, der Boden naß und schlammig, mit Pfützen übersät. Damit hatte er gerechnet. Er hatte alles einge­plant, auch das Wetter.
    Er trug Arbeitsstiefel Größe vierundvierzig. Die Fersen und Hacken waren mit Stoffetzen und Zeitungspapier des Philadel­phia Inquirer ausgestopft.
    Er wollte Fußabdrücke hinterlassen, jede Menge Fußabdrükke. Die Fußabdrücke eines Mannes. Nicht die Abdrücke eines Zwölfjährigen. Sie sollten vom County Highway, genannt Stoutsberg Worstville Road, zum Farmhaus führen und dann zurück.
    Er zitterte, als er eine Kieferngruppe erreichte, keine dreißig Meter vom weitläufigen Haus entfernt. Die Villa war genauso protzig, wie er sie sich vorgestellt hatte: allein im ersten Stock sieben Zimmer und ein Bad. Lucky Lindys und Anne Morrows Landsitz.
    Einfach toll, dachte er.
    Der Junge schob sich immer näher an das Eßzimmerfenster heran. Ihn faszinierte, was man Ruhm nannte. Er dachte viel darüber nach. Fast immer. Was war Ruhm eigentlich? Wie roch er? Wie schmeckt er? Wie sah er aus der Nähe aus?
    »Der beliebteste und berühmteste Mann der Welt« saß direkt vor ihm am Tisch. Charles Lindbergh war tatsächlich groß, elegant und hatte herrliches blondes Haar und einen hellen Teint. »Lucky Lindy« schien tatsächlich über alle anderen erhaben zu sein.
    Das galt auch für seine Frau Anne Morrow Lindbergh. Anne hatte kurzes Haar. Es war lockig und schwarz und ließ ihre Haut kalkweiß wirken. Das Licht der Kerzen auf dem Tisch schien sie zu umtänzeln.
    Beide saßen aufrecht auf den Stühlen. Ja, sie sahen wirklich überlegen aus, als wären sie ein Gottesgeschenk an die Welt. Sie hielten die Köpfe hoch, aßen anmutig. Er strengte die Augen an, um zu sehen, was auf dem Tisch stand. Es sah nach Lammkoteletts auf perfektem Porzellan aus.
    »Ich werde berühmter als ihr zwei jämmerlichen Holzköpfe zusammen«, flüsterte der Junge schließlich. Das versprach er sich. Er hatte jede Einzelheit tausendmal durchdacht, mindestens sooft. Er ging ganz methodisch ans Werk.
    Der Junge holte eine Holzleiter, die Arbeiter an der Garage stehenlassen hatten. Er drückte die Leiter eng an sich und ging zu einer Stelle direkt unter dem Bibliotheksfenster. Er stieg leise zum Kinderzimmer hinauf. Sein Puls raste, sein Herz klopfte so laut, daß er es hören konnte.
    Licht aus einer Flurlampe beleuchtete das Kinderzimmer. Er konnte das Bettchen sehen und darin den schlafenden kleinen Prinzen. Charles junior, »das berühmteste Kind der Welt«.
    Neben dem Bett stand gegen Zugluft ein bunter Wandschirm, illustriert mit Bauernhoftieren.
    Der Junge kam sich schlau und listig vor. »Hier ist Mr. Fox«, flüsterte er, als er leise das Fenster aufschob.
    Dann stieg er noch eine Sprosse der Leiter hinauf und war endlich im Kinderzimmer.
    Er beugte sich über das Bettchen und schaute sich den kleinen Prinzen an. Goldene Locken wie sein Vater, aber fett. Charles junior war schon mit zwanzig Monaten zu fett geworden.
    Der Junge konnte sich nicht mehr beherrschen. Heiße Tränen strömten ihm aus den Augen. Sein ganzer Körper bebte vor Ärger und Wut – vermischt mit der unglaublichsten Freude seines Lebens.
    »So, Daddys Sohnemann. Unsere Zeit ist gekommen«, murmelte er vor sich hin.
    Er nahm einen winzigen Gummiball mit einem Gummiband daran aus der Tasche. Er streifte die seltsam aussehende Schlinge schnell über den Kopf von Charles junior, im selben Augenblick, in dem die kleinen blauen Augen aufgingen.
    Als das Baby zu weinen anfing, stopfte der Junge den Gummiball in den kleinen, versabberten Mund. Er langte in das Bettchen, nahm Baby Lindbergh in die Arme und stieg schnell die Leiter hinunter. Alles nach Plan.
    Der Junge lief mit dem kostbaren, zappelnden Bündel in den Armen über die schlammigen Wiesen und verschwand in der Dunkelheit.
    Nicht einmal drei Kilometer vom Farmhaus entfernt begrub er das verwöhnte Lindbergh-Balg, begrub es lebendig.
    Das war erst der Anfang. Schließlich war er selbst noch ein Junge.
    Er, nicht Bruno Richard Hauptmann, war der Kidnapper des Lindbergh-Babys. Er hatte es ganz allein

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