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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Störend war einzig der große rote Fleck in der Ellbogenbeuge, der aussah, wie ein beginnender Ausschlag.
    Dr. Thévenoz war ans Fenster getreten, um seinem Assistenten Platz zu machen. Von dorther kam seine Stimme, sachlich referierend: »Heute nacht hatte ich Dienst. Um 2.15 wurde ich angerufen. Professor Dominicé, einer meiner Lehrer, teilte mir mit, er habe an der Place du Molard einen jungen Mann gefunden, der offenbar an einer Vergiftung erkrankt sei. Er bat mich, das Sanitätsauto zu schicken, der Fall scheine schwer, es wäre gut, wenn der Patient bald in fachgemäße Behandlung käme. Auf meine Frage, ob er den Patienten kenne, hängte der Professor ab. Er sprach sonderbar unfrei am Telephon, er wiederholte sich oft. Ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. Nun, hier ist der junge Mann, was haben Sie gefunden?« »Ja«, sagte Rosenstock und schwieg.
    »Nun, los, los, Rosenstock! Sie werden mich doch nicht blamieren wollen!«
    »Also, mir scheint«, begann Rosenstock, »es könnte sein, daß der Einstich in der Ellbogenbeuge in ursächlichem Zusammenhang mit der Vergiftung stünde.«
    Er schwieg wieder und kratzte an seiner Nase, die dick war und knollig.
    »Ein merkwürdiger Einstich!«
    Er tippte mit dem Finger, der die Nase verlassen hatte, auf die entzündete Stelle.
    »Es sieht aus, als hätte eine ungeschickte Hand eine intravenöse Injektion versucht. Und zwar scheint ein beträchtliches Quantum Gift eingespritzt worden zu sein. Dieses Gift… – Nun, die Alkaloide des Opiums, als da sind Heroin, Codein, Morphin, schalten aus. Von wegen den vergrößerten Pupillen. Es käme nur die Gruppe der Tropeïne in Betracht, und wir haben die Auswahl zwischen Atropin, Scopolamin und Hyoscyamin. Hyoscyamin!« wiederholte Rosenstock und kostete das Wort aus wie einen Leckerbissen, »es klingt wie ein Frauenname aus einem Maeterlinckschen Stück. Das aktive Prinzip von Hyoscyamus niger, dem Bilsenkraut, einem Nachtschattengewächs. Bilsenkraut! – Das hatte eine große Beliebtheit bei den Hexen des Mittelalters, ihre Flugträume hingen mit den Wirkungen dieser Pflanze zusammen. Sie nahmen das Zeug äußerlich, die Hexen, als Salbe, soviel ich mich erinnere. Haben Sie die Frage einmal studiert, Dr. Thévenoz? Sehr interessant! Wir sind hoffnungslos phantasiearm geworden, finden Sie nicht auch? Ich empfehle Ihnen, den Hexenhammer zu lesen, unglaubliche Geschichten werden Sie darin finden. Dinge, die auch Fräulein Dr. Lemoyne interessieren dürften, da sie doch zur Seelenkunde übergegangen ist.«
    »Hören Sie auf, hören Sie auf! Schwätzer! Man merkt, daß Sie von Talmudisten abstammen. Ich bin ja einverstanden mit Ihnen. Hyoscyamin natürlich. Wird schwer nachzuweisen sein. Isomer und solche Geschichten… Wenn wir nur endlich einmal wüßten, wer…«
    Da ging die Türe auf. Eine Frau, trotz der sommerlichen Hitze in dunkles Blau gekleidet, betrat das Zimmer. Sie schritt zum Bett, sah lange auf den Kranken und legte ihm die Hand auf die Stirn.
    »Armer Junge!…« sagte sie.
    »Wer sind Sie? Wie kommen Sie herein? Was fällt Ihnen ein?« Doktor Thévenoz überstürzte seine Fragen. Die Frau sah ihn einen Augenblick an, dann wandte sie sich zur Tür.
    »Ich habe nur gehört von dem Unglück. Und ich wollte sehen«, sagte sie still. Und dann fiel die Tür hinter ihr zu. Thévenoz wollte ihr nachlaufen, aber in der Tür stieß er mit einer Schwester zusammen.
    »Es will Sie jemand am Telephon sprechen«, sagte die Schwester.
    »Mann oder Frau?« fragte Thévenoz wild.
    »Es war eine Männerstimme«, antwortete die Schwester, und lächelte dazu ein wenig impertinent.
    »Gut«, nickte Thévenoz. Er hatte den geheimnisvollen Besuch scheinbar vergessen, denn er verschwand.
    »Also, jetzt erzählen Sie einmal klar und deutlich, mein lieber Malan; aus Ihrem Rapport wird ja niemand klug.«
    Kommissär Pillevuit ließ die Hand über seinen langen gelben Bart gleiten und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Polizist Malan stotterte…
    »Nein, so geht das nicht. Warten Sie!«
    Kommissär Pillevuit holte eine Flasche aus einem Fach seines Schreibtisches, füllte ein Glas mit einer wasserklaren Flüssigkeit – sie roch bedenklich nach Alkohol –. Malan trank, räusperte sich… und dann konnte er plötzlich reden.
    »Also, ich will einmal resümieren«, sagte Kommissär Pillevuit. »In der Toilette war ein Mann versteckt, der weiße Tennishosen trug. Groß? Klein? Das wissen Sie nicht?… Außerdem haben Sie Drähte

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