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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Steel
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    I
     
    Amanda riss die Tür zum Sitzungssaal auf und verharrte regungslos.
    Gefühlte zweitausend weibliche Augenpaare fixierten sie ärgerlich und vorwurfsvoll, während es im Raum so leise war, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.
    So unauffällig, wie es einem unwillkommenen Gast eben möglich war, schielte sie nach links zu einem Flipchart, auf dem in großen rosa Lettern „Jährliches Treffen anonyme Alkoholikerinnen Londons“ stand.
    Mit einem nervösen Lächeln strich sich Amanda eine ihrer braunen Locken hinters Ohr und krallte die Finger in ihren nagelneuen Lederkoffer. Ihre Lippen formten das Wort  „Verzeihung“, während sie mit drei Schritten rückwärts wieder aus dem Saal verschwand. Lautlos schloss sie die Tür und sank mit geschlossenen Augen dagegen.
    „Gott, wie peinlich!“  
    „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“
    Sie fuhr auf und blickte in das jugendliche Gesicht eines Concierge.
    „Ja, ähm …“ Sie war etwas zerstreut. „Ich suche eigentlich die Konferenz für alternative Energien.“
    „Darf ich Ihre Einladung sehen?“
    Sie griff hastig in die Innentasche ihres Blazers, den sie genau wie den dazu gehörigen kurzen Rock und die hohen Schuhe nur trug, weil es ein offizieller Anlass war, und ihr Vortrag eine gewisse Wichtigkeit hatte.
    Als sie dem Hotelangestellten die Karte gab, nickte er.
    „Bitte folgen Sie mir, Dr. Pierce.“
    Amanda fühlte Nervosität in sich aufsteigen. Sie wusste, wovon sie vor den Konferenzteilnehmen sprechen würde, und wie wichtig das war, was sie zu sagen hatte. Aber die bösartigen, neidischen Blicke der Männer, die sie für das hassten, was sie erreicht hatte, konnte sie schwer ertragen.
    „Hier, Dr. Pierce.“     
    Der Concierge hielt vor einer zweiflügligen Holztür und zeigte darauf. Amanda atmete tief durch und straffte die Schultern.   
    „Danke“, sagte sie zu dem Angestellten und sah ihm nach, wie er davonging.      
    Im Geiste spielte sie noch einmal durch, wie sie den Raum betreten und ihren Platz in der zweiten Reihe einnehmen wollte. Ruhig und souverän.   
    Ihre schlanke Hand ging mit einem nicht zu übersehenden Zittern zur Türklinke, erreichte sie jedoch nicht, da Amanda jäh zur Seite gerissen wurde.  
    Als sie aufblickte, überragte sie eine dunkel verhüllte Gestalt mit grellgrünen Augen, die ihr im nächsten Moment ein Tuch aufs Gesicht drückte. Ihr gellender Schrei wurde von dem Stück Stoff erstickt, das einen beißenden Geruch verströmte.      
    Panik kochte in ihr hoch. Ihr Puls raste. Übelkeit überwältigte sie, während ihre Arme verzweifelt und orientierungslos ruderten. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
               
    *
            
    Als sie wieder aufwachte, ließ sie eine unglaubliche Welle der Übelkeit aufstöhnen. Verzweifelt versuchte sie sich zur Seite zu drehen, um sich zu übergeben, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht, fühlte sich gelähmt an. 
    Ihre Lider ließen sich nicht heben, lagen wie bleierne Tücher auf ihren Augen, als wäre sie in ihrem schlafenden Körper gefangen. Sie erinnerte sich nicht, was geschehen war, keiner ihrer Gedanken war klar oder greifbar. Gleich würde sie an ihrem eigenen Erbrochenen ersticken, wenn sie es nicht schaffte, sich auf die Seite zu rollen. Wieder stöhnte sie hilflos, das einzige, was ihr funktionsunfähiger Körper ihr zugestand.    
    Plötzlich packten sie zwei Hände bei der Schulter. Angst überfiel sie in ihrer Hilflosigkeit, als sie spürte, wie sie zur Seite gedreht wurde. Im selben Moment siegte die Übelkeit, und sie übergab sich, bevor sie wieder ohnmächtig wurde.      
                 
    *
                 
    Als ihr Bewusstsein sich diesmal an die Oberfläche kämpfte, war Amanda noch immer schlecht, wenn auch nicht mehr so quälend, wie zuvor. Sie erinnerte sich, dass sie sich übergeben hatte, roch aber nirgendwo Erbrochenes. Allmählich kehrte das Gefühl in ihren Körper zurück. Sie empfand Kälte, obwohl sie offenbar zugedeckt in einem Bett lag.    
    Ihre Zehen ließen sich bewegen und ihre Fingerspitzen ertasteten Stoff. Sie roch Waschpulver. Wo auch immer sie war, war es jedenfalls sauber.        
    Ein Geräusch, das zweifellos von einem Menschen kam, ließ sie zusammenzucken. Ein Stöhnen. Der Gedanke, dass es noch Jemandem so schlecht gehen könnte, wie ihr selbst, ließ sie vorsichtig ein Auge öffnen und in einen abgedunkelten Raum

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