Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
und steuere auf die Tür zu.
»Achtung, Baltimore, der Hurenbock vom
Herald
macht wieder die Straßen unsicher«, ertönt ein Singsang, gefolgt von brüllendem Gelächter. Ich grinse, weil ich weiß, dass ihre Frotzeleien Wertschätzung ausdrücken.
Als ich aus der Tür trete, hinaus in die feuchte Sommernacht, die nach Teebaumöl riecht, erwartet sie mich schon. Mit einem Lächeln, als wären wir längst verloren geglaubte Liebende, hält die Nutte noch immer einen Stöckelschuh in der Hand und kauert in einer Art Baseball-Fänger-Hocke auf dem Bürgersteig. Sie lehnt in einem abenteuerlichen Winkel an einer Backsteinmauer und scheint nicht mal geradeaus gucken zu können, obwohl sie keinerlei Schwierigkeiten hat, mich zu erkennen. Ihr faltenloses Gesicht strahlt jugendliche Frische aus und weist keinerlei Narben oder Blutergüsse auf, weshalb ich jede Wette eingehen würde, dass sie im ältesten Gewerbe der Welt ein Neuling ist.
Genau wie eben im Präsidium winkt sie mich mit dem verdammten Zeigefinger zu sich. Das war schon immer mein persönliches Lieblingsärgernis – mit dem Finger droht man kleinen Kindern. Und Hunden. Aber ganz bestimmt nicht mir. Und warum geht sie davon aus, dass ich mich für irgendwas von dem interessiere, was sie mir zu sagen hat?
Da ich mit einem körperlichen Angriff oder dem Angebot rechne, mir jede der Menschheit bekannte Geschlechtskrankheit zuzuziehen, bin ich fest entschlossen, sie abprallen zu lassen und einfach weiterzugehen. Aber damit hätte ich nicht falscher liegen können.
»Du bist Reporter, stimmt’s, Süßer?«
Warum überraschte mich das? Immerhin schleppe ich für jeden sichtbar einen Notizblock und ein Diktiergerät mit mir rum. Vielleicht, weil sie sonst kaum was mitzukriegen scheint.
»Ja, Ma’am, Sie haben’s erfasst. Was gibt’s?«
»Du bringsmich doch nich in die Zeitung, oder?« Sie kommt auf mich zugetorkelt und gerät ins Straucheln, sodass sie sich das Gesicht an der Mauer aufschürft und auf Knie und Ellbogen fällt. Ich zucke zusammen und bin nun doch neugierig, warum Miss Dingsda sich fast selbst um die Ecke bringt. Außerdem mache ich mir Sorgen, dass gleich ein ritterlicher Polizist am Schauplatz aufkreuzt und ganz automatisch davon ausgeht, dass ein mieser schwarzer Zuhälter eine Lektion erteilt bekommen muss.
»Tun Sie sich nicht weh, Miss …«
»Vicky. Bitte bringen Sie mich nich in die Zeitung«, jammert sie mit schwerer Zunge. »Mein Typ weiß von nix, und wenn er rauskriegt, dass ich mit ’nem Schwarzen zusammen war, bringt er mich um.«
Statt beleidigt zu sein, habe ich Mühe, nicht loszuprusten. Was ist schlimmer: Dass ihr Typ rauskriegt, dass seine Tussi eine billige Nutte ist, oder dass sie ein großes schwarzes Polaris-U-Boot andocken lässt? Alarm! Alarm!
»Jetzt mal im Ernst, was wollen Sie von mir?«, frage ich grinsend und blättere in meinen Notizen über den Manager des schwarzen Radiosenders. Schon ein kurzer Blick beweist, dass die Prostituierte, die in seinem Wagen festgenommen wurde, Victoria Ambrose war.
»Ihr Nachname ist nicht zufällig Ambrose?«
Ihr Gesicht wird blass. Eine Millisekunde darauf folgt hysterisches – und schrecklich lautes – Jammergeschrei. Passanten und Autofahrer entlang der Baltimore Street drehen sich nach dem Spektakel um. Ambrose krallt sich an meinem Arm fest wie an einem Falknerhandschuh und sinkt auf die Knie.
»Stehen Sie auf!«, zische ich, schüttele sie ab und entferne mich schnellen Schrittes vom Polizeipräsidium. »Sie machen eine Szene.«
Wenn mir jetzt einer meiner Kumpels über den Weg liefe, könnte ich mich von dieser Scheiße nie mehr reinwaschen.
Miss Vickys Gesicht glänzt vor Tränen, und sie folgt mir mit bebenden Schultern. Ich laufe zügig bis zur nächsten Ecke, biege rasch nach links in die Gay Street ab und führe im Geiste eine Risiko-Nutzen-Analyse durch.
Ich bin sowieso nicht so scharf drauf, sie in die Zeitung zu bringen – gar nicht mal so sehr, um sie zu schützen, sondern vielmehr weil ich weiß, dass die Redaktion des
Herald
die Missetat des schwarzen Radiosender-Managers unverhältnismäßig aufblasen würde (kein Wortspiel beabsichtigt). Meine Redaktion würde das zwar vehement bestreiten, aber wenn Amerikaner afrikanischer Abstammung überhaupt im
Herald
vorkommen, tragen sie für gewöhnlich Handschellen, dribbeln einen Basketball oder blicken einem trübsinnig von der Seite mit den Nachrufen entgegen.
»Ich sag Ihnen was«, wende
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