Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
weil wir Currys Werbeanzeigen bringen, darf er seine Frau verprügeln und wir müssen wegschauen? Ist es so?«
Tillman hat säuerlich die Lippen verzogen, als sauge er eine Zitrone aus. »Du begreifst schnell, Chef. Ich hatte den Herausgeber gerade an der Strippe, wenn du ihn zurückrufen willst.«
»Liebend gern, aber mein Senf dazu wäre der Sicherheit meines Arbeitsplatzes nicht gerade zuträglich.«
Tillman schnaubt, tätschelt meine Schulter und eilt zurück an seinen Schreibtisch. »Du würdest bei Curry BMW sicher einen Super-Deal kriegen, wenn dich das irgendwie tröstet.«
»Selbst wenn ich es mir leisten könnte, würde ich keine von diesen überteuerten Scheißkisten fahren.«
»Kann ich nachvollziehen«, ruft Tillman mir über die Schulter zu.
Angewidert knalle ich meinen Notizblock hin und denke an den journalistischen Ehrenkodex und den ganzen Mist über Objektivität und das Recht der Öffentlichkeit auf Information. Aber allzu selbstgerecht darf ich nicht werden, da ich mich im selben moralischen Misthaufen wälze wie der Herausgeber. Wegen Ambrose.
Als ich in meine Wohnung komme und endlich ins Bett gehe, fällt mir das Einschlafen schwerer als sonst. Wenn ich durch die schäbige Unterwelt Baltimores getourt bin und unter Termindruck darüber geschrieben habe, bin ich zwar sonst auch aufgedreht, aber heute Abend lassen mir Curry und Ambrose keine Ruhe.
Als ich am nächsten Tag zur Arbeit komme, hat mir praktischerweise schon jemand die aktuelle Ausgabe der
Tribune
auf den Schreibtisch gelegt. Die Story über den WQQD-AM-Manager Harold Dawson ist rot umkringelt. Sie haben sogar ein Foto, auf dem Dawson in Handschellen ins Polizeipräsidium gebracht wird. Unter den Bericht hat jemand ein Riesenfragezeichen gekritzelt, als wollte er sagen: »Wie zum Teufel konnte uns das entgehen?«
Das scheint das Werk von Tom Merriwether zu sein, dessen wichtigste Aufgabe darin besteht, mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu demoralisieren und herabzuwürdigen. Redigieren kommt weit abgeschlagen an zweiter Stelle. Sehr weit abgeschlagen.
Das wird offensichtlich keiner meiner denkwürdigeren Tage. Es wird nicht besser, als nur wenige Minuten später irgendein Spinner mit einer mysteriösen Warnung vor einer Verschwörung, das NAACP mit einer Bombe in die Luft zu jagen, bei mir anruft.
Ich sacke auf meinem Stuhl zusammen, frage mich, ob sonst noch jemand das gequälte Stöhnen meines Magens hört, und durchwühle meine Schreibtischschublade nach einer Magensäuretablette.
Ich fühle mit Ihnen, Sergeant Stevens. Ich fühle mit Ihnen.
KAPITEL DREI
Kleine Staubwolken markierten Mark Dillards Vorankommen, als er im leichten grauen Anzug, einen roten Benzinkanister aus Plastik in der Hand, auf dem rechten Seitenstreifen der Schnellstraße zwischen Baltimore und Washington entlangjoggte.
Unter den Achseln seiner Anzugjacke hatten sich schon dunkle Halbkreise aus Schweiß gebildet, obwohl Dillard erst vierhundert Meter hinter sich hatte und wahrscheinlich so fit war wie noch nie in seinem Leben. Fitter als zu der Zeit, als er noch bei den Army Rangers diente. Er hätte die Jacke auch ordentlich zusammenlegen und auf dem Vordersitz seines grünen Chevy-Pick-up liegen lassen können. Doch Dillard hatte keine Sekunde zu verlieren – er durfte es nicht riskieren, dass irgendein neugieriger Cop unter der Plane herumstocherte, die die Ladefläche des Chevy verdeckte, während er Benzin holte. Es wäre verdammt schwer zu erklären, warum er auf dem Wagen einen Stapel Neonazi-Propaganda, zehn Sprengkapseln und zwölf Dynamitstangen in einem braunen, wasserdichten Plastikbeutel mit sich führte.
Dillard hatte noch einen Grund, die Anzugjacke anzubehalten: Sie verdeckte die Beretta vom Kaliber 9 mm, die er unter dem Beifahrersitz hervorgezogen und sich in die Hose gesteckt hatte.
Während er rannte, schoss Dillard ein Gedanke durch den Kopf, der ihm ein grimmiges Grinsen entlockte.
Was, wenn er nun vergessen hatte, die Beretta zu sichern und es fertigbrachte, sich selbst anzuschießen, während er an der Schnellstraße entlanglief? Dann wüssten seine Kameraden endgültig, dass sie sich genau den Richtigen als Anführer für ihren Anschlag auf das NAACP ausgesucht hatten. Schöner Anführer – hier lief er nun um acht Uhr morgens spontan einen Marathon, weil er am Abend zuvor so besoffen gewesen war, dass er vergessen hatte zu tanken.
Echt clever, Mark.
Seine kurzfristige Undiszipliniertheit hatte die
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