Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
ich mich an Ambrose, die sich inzwischen leicht beruhigt hat. »Die Story ist für meine Karriere nicht entscheidend, okay?«
Sie sieht mich verständnislos an. Doch als ihre von Drogen benebelten Synapsen endlich erfassen, was ich gesagt habe, lächelt sie und entblößt überraschend perfekte Zähne.
»Sie schreiben nicht über mich?«
»So ist es.«
Ich zucke innerlich zusammen und frage mich, was mein scheinheiliger Lokalredakteur Tom Merriwether täte, wenn er mich dabei ertappte, wie ich die journalistische Freiheit den Launen einer Bordsteinschwalbe unterwerfe. Ed Bradley oder Bob Woodward hätten sich in jungen Jahren auf die Story gestürzt wie die Geier. Vielleicht bin ich nicht hart genug, um es je in dieses Pantheon zu schaffen.
Bei Victoria Ambrose hingegen finde ich damit großen Anklang, die überglücklich ist, dass ihre U-Boot-Andock-Gelage geheim bleiben. Ihre heiße Hand ergreift meine und schüttelt sie heftig; einmal drückt sie mir sogar einen fetten, nassen Schmatzer darauf. Bäh!
Im Zuge nicht enden wollender Dankbarkeitsbezeugungen bittet sie mich mehrfach darum, ihr meinen Namen zu nennen.Ich sage ihn ihr drei Mal, buchstabiere ihn sogar einmal, sehe in dieser Übung jedoch schon bald keinen Sinn mehr. In fünf Minuten erinnert sie sich wahrscheinlich nicht mal mehr, mich getroffen zu haben.
Ich fahre die paar Häuserblocks weiter zum
Herald
, halte dem Wachmann in der Eingangshalle meinen Ausweis vor die Nase und gehe schnurstracks zur Herrentoilette im Erdgeschoss. Ich drehe den Wasserhahn voll auf, spritze mir einen kleinen See aus grüner Seife in die rechte Handfläche und seife mir die Hände so gründlich ein, dass im Waschbecken Seifenblasen schäumen. Wer weiß, welch exotische Mikroben sich auf und um Ambroses Mandeln herumtummeln?
Mit einem Ruck reiße ich ein schmirgelpapierartiges Einweghandtuch aus dem Metallspender an der Wand, trockne mir damit die Hände und spreche ein stilles Gebet: Lieber Gott, bitte mach, dass Ambrose und der Radiomanager morgen früh nicht in der
Tribune
, dem Erzrivalen des
Herald
, erscheinen. Falls doch, bin ich am Arsch.
Damit stiefele ich aus der Toilette und warte auf den Fahrstuhl. Wie immer zu dieser späten Abendstunde lassen die riesigen Druckerpressen im Kellergeschoss den Boden in der Eingangshalle leicht vibrieren.
Kaum hat sich die Fahrstuhltür im vierten Stock knarrend geöffnet, höre ich schon das schalkhafte, laute Lachen von Nachtredakteur Russell Tillman durch die verlassene Redaktion hallen.
Es ist 22.30 Uhr, und Tillman bleiben noch dreißig Minuten, um die endgültige Fassung der Zeitung zu erstellen, und trotzdem blödelt er noch rum wie beim Pokerabend mit seinen Kumpels. Mit seiner Unempfindlichkeit gegen Termindruck stellt Tillman, zudem noch ein wandelndes Baltimore-Lexikon, die machthungrigen Redakteure von der Tagesschicht durchweg in den Schatten. Diese sind versierter darin, sich einzuschleimen und jedem im Umkreis von dreißig Metern in den Rücken zu fallen, als an Storys zu feilen und die Nachrichtenberichterstattung zu dirigieren.
Doch Tillmans angeborene Unverblümtheit und seine Weigerung, den Leuten in den Arsch zu kriechen, gewährleisten, dass er es beim
Herald
nie weiter als bis zum Nachtredakteur bringen wird.
Ich hetze an meinen Schreibtisch und warte schmunzelnd auf die für ihn typische Begrüßung.
»Schieß los, Chef, damit wir die Sache zu Ende bringen können.«
Zeit für das Frage- und Antwortspiel. Tillman erkundigt sich, was ich für ihn habe, und ich sage es ihm. Er gibt mir die Länge der Reportage in Zentimetern vor und fragt mich, ob ich genug Stoff dafür habe.
Phil Curry, der seine Frau verprügelt, ist fünfzehn Zentimeter und die begehrte Titelseite des Lokalteils wert. Als ich lostippe, frage ich mich, wo die Ambrose-Story gelandet wäre. Ich habe noch keine fünf Zentimeter geschrieben, als sich mit Pistazienflecken verschmierte Finger in mein Sichtfeld schieben und meinen Gedankenfluss unterbrechen. Die Finger gehören zu Tillman, der aufgeregt wirkt.
»Wir nehmen Curry raus. Du kannst alles wieder löschen«, sagt er kurz angebunden.
»Warum? Was ist los?«
»Curry und der Herausgeber sind alte Golfkumpels. Und außerdem …« Er schlägt den Sportteil des
Herald
auf Seite 6D auf. Eine Werbeanzeige von Curry BMW nimmt mindestens ein Drittel der Seite ein. Ich bin bedient.
»Versteh ich das richtig? Weil Curry und der Herausgeber zusammen im Sandkasten spielten und
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