Der Teufel trägt Prada
dass laut dem von Ihnen für mich erstellten Reiseplan Ihr Flieger um 10 Uhr 35 gelandet ist?«
»Ja, das war die planmäßige Ankunft, aber, verstehen Sie -«
»Ich muss mich nicht von Ihnen belehren lassen, was ich verstehe und was nicht, Aan-dreh-ah. Jedenfalls ist dergleichen mit Sicherheit nicht das, was ich unter einem akzeptablen Verhalten für die kommende Woche verstehe. Ist das so weit klar?«
»Ja, natürlich. Es tut mir Leid.« Mein Herz beschleunigte dem Gefühl nach auf eine Million Schläge pro Minute, und ich spürte, wie ich rot anlief. Rot vor Scham, dass jemand so mit mir sprach, doch mehr noch, dass ich so mit mir umspringen ließ. Soeben hatte ich mich – allen Ernstes – dafür entschuldigt, dass ich nicht für eine pünktliche Landung meines internationalen Flugs gesorgt hatte und weiterhin zu blöd gewesen war, mich an der französischen Zollkontrolle vorbeizudrücken.
Ich presste mein Gesicht unbeholfen ans Fenster der Limousine und spähte hinaus in das Leben und Treiben auf den Stra ßen von Paris. Wie hoch gewachsen die Frauen erschienen, wie elegant die Männer, und praktisch alle waren schön gekleidet, schlank und von edler Haltung. Es war nicht mein erster Besuch in der Stadt; aber vom Rücksitz einer Nobelkarosse betrachtet wirkte sie mit ihren schicken kleinen Boutiquen und den charmanten Straßencafés doch anders als aus der Perspektive einer Rucksacktouristin, die damals am anderen Ende der Stadt in einer Art Jugendherberge Unterkunft gefunden hatte. Könnte ich mich durchaus dran gewöhnen, dachte ich. Der Fahrer vollführte Verrenkungen auf seinem Sitz, um mir zu zeigen, wo die Wasservorräte gelagert waren – nur für den Fall, dass ich Durst verspürte.
Schließlich hielt der Wagen vor dem Hoteleingang, und ein soignierter Kavalier im (soweit ich das beurteilen konnte) Maßanzug hielt mir den Schlag auf.
»Mademoiselle Sachs, welches Vergnügen, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Gerard Renaud.« Seine Stimme klang sanft und Vertrauen erweckend; das Silberhaar und die tiefen Falten im Gesicht zeigten an, dass er sehr viel älter
war, als ich nach dem Telefonat mit dem mir damals noch unbekannten Herrn von der Rezeption vermutet hatte.
»Monsieur Renaud, toll, Sie endlich kennen zu lernen!« Plötzlich hatte ich nur noch einen Wunsch: in ein schönes, weiches Bett zu kriechen und mich nach dem langen Flug ordentlich auszuschlafen. Doch diese Hoffnung machte Monsieur Renaud sogleich zunichte.
»Mademoiselle Andrea, Madame Priestly wünscht Sie in ihrer Suite zu sprechen, und zwar unverzüglich, wie ich fürchte – bevor Sie sich noch in der Ihren eingerichtet haben.« Es war ihm sichtlich unangenehm, und einen kurzen Augenblick lang tat er mir noch mehr Leid als ich mir selbst. Ganz offenkundig fühlte er sich unwohl in seiner Rolle als Überbringer schlechter Nachrichten.
»Ach du Scheiße. Na toll«, knurrte ich und merkte zu spät, welche Pein ich Monsieur Renaud damit bereitete. Ich kleisterte mir ein gewinnendes Lächeln ins Gesicht und fing von vorne an. »Bitte entschuldigen Sie, ich habe einen schrecklich langen Flug hinter mir. Könnte ich denn wohl erfahren, wo ich Miranda finde?«
»Aber gewiss, Mademoiselle. Sie befindet sich augenblicklich in ihrer Suite und bekundete, so mein Eindruck, nachhaltiges Interesse an einem raschen Zusammentreffen mit Ihnen.« Fast schien es mir, als rollte Monsieur Renaud ganz leicht mit den Augen; am Telefon hatte er immer so bestürzend untadelig geklungen, aber jetzt beschlichen mich Zweifel. Natürlich beherrschte er seine Rolle viel zu gut, um sich eine Blöße zu geben oder sich gar einen verbalen Ausrutscher zu leisten, aber: Ich zog die Möglichkeit in Betracht, dass Miranda ihm ebenso von Herzen zuwider war wie mir. Konkrete Beweise konnte ich zwar nicht vorlegen, andererseits: War es denn denkbar, dass irgendwer sie nicht verabscheute?
Lächelnd bugsierte Monsieur Renaud mich in den offenen Fahrstuhl, erteilte Anweisungen in Französisch und sagte mir
Adieu. Der Page eskortierte mich zu Mirandas Suite und überließ mich nach dem Anklopfen fluchtartig meinem Schicksal, einsam und allein im Angesicht der Tyrannin.
Ob sie wohl selbst an die Tür kam? Kaum vorstellbar. In den elf Monaten, die ich nun schon in ihrer Wohnung ein und aus ging, hatte ich sie noch nie bei etwas erwischt, das auch nur entfernt nach Arbeit aussah – und darunter fielen auch solch gewöhnliche Verrichtungen wie
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