Der Teufel trägt Prada
da an den Espressomaschinen zugange waren, kam mir kein einziger auch nur entfernt bekannt vor – was die ganze Zeit, die ich hier zugebracht hatte, in noch weitere Ferne rückte. Ich strich meine schwarze Hose (guter Schnitt, aber kein Designerstück) glatt und vergewisserte mich, dass die Aufschläge kein Sammelbecken für allen Dreck und Schneematsch der Stadt abgaben. Zwar wusste ich die ganze Belegschaft eines Modemagazins vehement gegen mich, fand aber trotzdem, dass ich für das sage und schreibe zweite Vorstellungsgespräch meines Lebens verdammt gut aussah. Erstens war mir mittlerweile klar, dass in dieser Branche keine Menschenseele Kostüme trug, und zweitens hatte mich dieses Jahr in der dünnen Luft der Haute Couture, wahrscheinlich durch simple Osmose, doch irgendwie verändert.
Der Cappuccino war eine Spur zu heiß, aber bei diesem nasskalten Wetter einfach ein Gedicht. Die einbrechende Dämmerung legte sich über die Stadt wie eine schwere Schneewolke – normalerweise eine Stimmung, die Depressionen bei mir hervorrief. Immerhin schrieben wir den deprimierendsten Monat des Jahres (Februar), und an Tagen wie diesem verkrochen selbst optimistische Naturen sich zähneklappernd unter der Bettdecke, während die Pessimisten ohne eine extra Hand voll Aufmunterungspillen nicht mal ansatzweise eine Chance hatten. Aber im Starbucks herrschte freundliches Licht und kein großes Gedränge; ich schmiegte mich in einen der wuchtigen grünen Sessel und versuchte nicht daran zu denken, wer hier wohl zuletzt seinen ungewaschenen Haarschopf an den Polstern abgewischt hatte.
In den zurückliegenden drei Monaten war Loretta zu meiner Mentorin, meiner großen Stütze und Retterin geworden. Wir hatten uns auf Anhieb blendend verstanden, und seit jenem ersten Kennenlernen hatte sie mich liebevoll unter ihre Fittiche genommen. Schon als ich ihr eigentlich geräumiges, aber zum Bersten voll gestopftes Büro betrat und sah, dass sie – schluck! – fett war, beschlich mich dunkel das Gefühl, dass ich sie liebenswert finden könnte. Sie bot mir einen Platz an und las Wort für Wort, was ich in der vergangenen Woche zu Papier gebracht hatte: humoristische Schilderungen von Modenschauen, böse Bemerkungen zum Leben einer Promi-Assistentin und eine hoffentlich einfühlsam geschriebene Story, wie es dahin kommen kann – oder wie man es nicht so weit kommen lässt -, dass eine Beziehung, in der die Partner einander umständehalber kaum sehen, nach drei Jahren den Bach hinuntergeht. Es war wie im Bilderbuch, übelster Kitsch; aber Loretta und ich hatten uns schlicht gesucht und gefunden, redeten uns die Albträume über Runway von der Seele (die mich noch nach wie vor heimsuchten: in dem letzten wurden meine Eltern von der Pariser Modepolizei auf offener Straße wegen des Tragens von Shorts erschossen,
und Miranda setzte es irgendwie durch, mich ganz legal zu adoptieren) und stellten rasch fest, dass uns außer sieben Jahren Altersunterschied nichts trennte.
Dank meines genialen Einfalls, die gesamte Runway -Garderobe an einen der überkandidelten Second-Hand-Läden in der Madison Avenue zu verhökern, verfügte ich über ein kleines Vermögen und konnte es mir leisten, für einen Apfel und ein Ei zu schreiben; Hauptsache, mein Name wurde erwähnt. Ich hatte lange abgewartet, ob Emily oder Jocelyn nicht doch irgendwann anrufen und mir mitteilen würden, der Kurier zur Abholung der Sachen sei bereits unterwegs. Doch da sich absolut nichts tat, durfte ich wohl frei über das Zeug verfügen. Beiseite legte ich nur das Wickelkleid von Diane Von Furstenburg. Den Inhalt meiner Schreibtischschubladen hatte Emily in Kisten gekippt und mir per Post zugeschickt. Bei der Durchsicht stieß ich auf den Brief von Anita Alvarez, der glühenden Runway -Verehrerin, der ich die erträumte Robe hatte schicken wollen. Bisher war ich nie dazu gekommen, aber jetzt wickelte ich das wild gemusterte Kleid in Seidenpapier, warf noch ein Paar Manolos und ein paar Zeilen in Mirandas Handschrift dazu – dieses Talent besaß ich zu meinem Verdruss offenbar immer noch. Einmal im Leben wenigstens sollte das Mädel ein richtig schönes Teil sein Eigen nennen und genießen. Und, wichtiger noch: glauben, dass es da draußen in der großen weiten Welt jemanden gab, dem sie nicht egal war.
Bis auf das eine, diesem wohltätigen Zwecke zugedachten Kleid hatte ich nur die engen, supersexy D&G-Jeans und die klassische, gesteppte Handtasche an der Kette behalten,
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