Der Teufel trägt Prada
weiß, und es tut mir Leid, Lil. Aber ich muss sofort los. Die Sache kann nicht warten. Ich würde nichts lieber tun, als hier zu bleiben und mir noch ein Video mit dir reinzuziehen, aber ich sitze momentan ziemlich in der Patsche, gelinde gesagt. Ich ruf dich an, ja?«
Ich fuhr mit dem Taxi ins Büro – diesmal war es wirklich ein Notfall. Die Redaktion war wie ausgestorben, kein Wunder an einem Sonntag. Sicher hockten die Kolleginnen alle mit ihren Investment-Banker-Liebsten beim Brunch im Pastis. Ich sank
hinter meinen Schreibtisch, atmete tief durch und wählte. Ich hatte Glück, es meldete sich mein alter Bekannter Monsieur Renaud.
»Mademoiselle Sachs, wie geht es Ihnen? Wir sind entzückt, Ms. Priestly und ihre reizenden Zwillinge so schnell wieder bei uns beherbergen zu dürfen«, flunkerte er.
»Danke, Monsieur Renaud. Aber Sie wissen doch, wie wohl sich Miranda bei Ihnen fühlt«, flunkerte ich zurück. Ganz gleich, wie sehr sich der arme Empfangschef auch abstrampelte, Miranda würde an allem und jedem etwas herumzumäkeln haben. Trotzdem gab er sein Bestes und tat so, als sei sie sein liebster Gast. »Eine Frage, Monsieur Renaud. Ist der Wagen schon wieder zurück, den Sie zum Flughafen geschickt haben?«
»Aber natürlich, ma chère . Er ist längst wieder hier. Spätestens seit acht Uhr, würde ich sagen. Ich habe unseren besten Fahrer eingesetzt«, antwortete er stolz. Nur gut, dass er nicht wusste, weshalb sein bester Mann an einem Sonntag im aller Herrgottsfrühe die Fahrt zum Flughafen hatte machen müssen…
»Das ist wirklich seltsam. Ich habe nämlich einen Anruf von Miranda bekommen, in dem sie mir mitteilt, dass sie das Päckchen, das sie erwartet, nicht erhalten hat. An diesem Ende hier habe ich alles überprüft. Unser Fahrer schwört, dass er es am Flughafen abgeliefert hat, der Pilot schwört, dass er es heil nach Paris gebracht und an Ihren Fahrer übergeben hat. Und nun können Sie mir sogar bestätigen, dass es im Hotel eingetroffen ist. Wie kann es dann sein, dass sie es nicht bekommen hat?«
»Das fragen Sie die Dame doch am besten selbst«, trällerte er mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Soll ich Sie durchstellen?«
Wider besseres Wissen hatte ich bis zuletzt gehofft, dass es zu diesem Gespräch nicht kommen würde, dass ich das Problem lösen würde, ohne persönlich mit ihr sprechen zu müssen. Was sollte ich ihr sagen, wenn sie beteuerte, das Päckchen nicht erhalten zu haben? Sollte ich ihr vorschlagen, mal auf dem Dielentischchen ihrer Suite nachzusehen, wo es vermutlich vor Stunden
abgelegt worden war? Oder erwartete sie etwa von mir, dass ihr bis zum Abend zwei neue Harry Potters beschaffte? Vielleicht wäre es am besten, wenn ich beim nächsten Mal gleich einen Geheimagenten anheuerte, der die Bücher auf dem Atlantikflug nicht aus den Augen ließ und mir ihre sichere Ankunft garantierte.
»Gern, Monsieur Renaud. Und vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Es klickte ein paar Mal, dann hörte ich das Freizeichen. Ich wischte mir die schweißnassen Hände an der Jogginghose ab und versuchte nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn Miranda sah, dass ich mich so nachlässig gekleidet in ihr Büro gewagt hatte. Beruhige dich, reg dich nicht auf, redete ich mir zu. Sie wird dir schon nicht die Eingeweide rausreißen. Jedenfalls nicht übers Telefon.
»Ja?« Eine Stimme von ganz weit weg riss mich aus diesen tröstlichen Gedanken. Aber es war nicht Miranda, sondern Caroline, die mit ihren zehn Jahren die barschen Telefonmanieren der Mutter bereits perfekt beherrschte. Cassidy meldete sich immerhin noch mit »Hallo«, wenn sie an den Apparat ging.
»Hallo, Kleines«, säuselte ich. Wie widerlich, dass ich mich an ein Kind ranwanzte. »Hier ist Andrea, aus dem Büro. Könnte ich vielleicht deine Mom sprechen?«
»Meine Mum ?« Sie korrigierte mich immer, wenn ich ein Wort amerikanisch statt englisch aussprach. »Augenblick, ich hole sie.«
Eine halbe Minute später hatte ich Miranda am Apparat.
»Ja, Aan-dreh-aa? Ich hoffe, es ist wichtig. Sie wissen doch, dass ich in der Freizeit nicht gestört werden will, wenn ich mit den Mädchen zusammen bin«, sagte sie auf ihre kalte, brüske Art. Ich musste schlucken. Willst du mich verarschen, Lady? Meinst du, ich rufe zum Spaß am? Weil ich es nicht ertragen kann, mal ein Wochenende lang auf deine mürrische Stimme zu verzichten? Und was ist bitteschön mit meiner Freizeit? Mir wurde regelrecht schwindelig vor Wut, aber ich
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