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Der Teufel trägt Prada

Der Teufel trägt Prada

Titel: Der Teufel trägt Prada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Weisberger
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wenn sie mich nicht ganz überzeugt hatte. Zwar hatte ich noch nie in einer anderen Firma gearbeitet, konnte mir aber einfach nicht vorstellen, dass sich alle Bosse so aufführten wie Miranda. Oder etwa doch?
    Ich stellte den Lunchbeutel ab und begann mit dem Anrichten. Mit den bloßen Fingern nahm ich die Speisen aus den luftdicht abschließenden Thermotöpfchen und platzierte sie appetitlich auf einem Porzellanteller. Das Auge isst schließlich mit. Dann wischte ich mir die Hände an einer von Mirandas Versace-Hosen ab, die noch in die Reinigung mussten, und stellte den Teller auf das gekachelte Teakholztablett, das ich unter meinem Schreibtisch aufbewahrte. Daneben kamen die Sauciere mit der zerlassenen Butter, das Salz und das Besteck, das ich aus seinem Faltenröckchen befreit hatte. Ein prüfender Blick und siehe da: Ich hatte das San Pellegrino vergessen. Jetzt aber zügig – sie konnte jeden Augenblick wieder zurück sein. Ab in die Teeküche, eine Hand voll Eiswürfel holen. Ich musste sie anhauchen, um keinen Gefrierbrand zu bekommen. Vom Anpusten zum Anlecken wäre es nur ein klitzekleiner Schritt gewesen. Nein, Andrea! Da stehst du drüber! Du spuckst ihr nicht ins Essen und du lutschst auch nicht auf ihren Eiswürfeln rum. So tief bist du noch nicht gesunken!
    Miranda war noch nicht zurück, als ich wieder ins Vorzimmer kam. Ich schenkte schnell das Wasser ein. So, fertig. Jetzt konnte sie kommen. Sobald sie sich hinter den Riesentisch geklemmt hatte, würde sie Order geben, die Tür zu schließen. Und das wäre dann das erste und einzige Mal am Tag, dass ich ihrem Befehl gern nachkam, bedeutete es doch nicht nur, dass wir jetzt eine halbe Stunde Ruhe vor ihr hatten, da sie ihr allmittägliches Seelenschwätzchen mit Mr. BTB führte, sondern auch, dass wir ebenfalls etwas futtern durften. Eine von uns düste nach unten, griff sich irgendwas Essbares, sauste wieder nach oben; dann war die andere dran. Unsere Verpflegung versteckten wir unter dem Schreibtisch oder hinter dem Computerbildschirm, für den Fall, dass sie plötzlich
unangekündigt im Zimmer stand. Wenn es bei Runway ein unausgesprochenes, aber ehernes Gesetz gab, dann dieses: Vor Miranda Priestly wurde nicht gegessen. Punktum.
    Es war Viertel nach zwei. Mein Magen tippte eher auf späten Abend. Vor sieben Stunden hatte ich den letzten Mal einen Bissen zu mir genommen, und zwar einen hastig hinuntergeschlungenen Muffin zwischen Starbucks und Büro. Ich hatte solchen Hunger, dass ich mich fast an Mirandas Steak vergriffen hätte.
    »Wenn ich nicht sofort was zu essen kriege, kipp ich vom Hocker, Em. Ich lauf schnell nach unten und hol mir was. Soll ich dir was mitbringen?«
    »Bist du wahnsinnig geworden? Du hast ihr doch noch nicht mal den Lunch serviert. Sie kann jede Sekunde wieder da sein.«
    »Aber es geht mir wirklich nicht gut. Ich kann nicht mehr warten.« Mir war schwindelig vor Schlafmangel. Der niedrige Blutzuckerspiegel tat ein Übriges. Womöglich würde ich es vor lauter Schwäche sowieso nicht schaffen, ihr das Steaktablett zu bringen, auch wenn sie im nächsten Augenblick auf der Bildfläche erschien.
    »Andrea, komm zu dir. Stell dir doch mal vor, du begegnest ihr im Fahrstuhl oder am Empfang. Sie würde ausrasten! Das ist viel zu riskant. Warte, ich hol dir was.« Sie schnappte sich ihr Portemonnaie und lief hinaus. Keine vier Sekunden später kam Miranda durch den Korridor herangestelzt. Schwindel, Hunger und Erschöpfung waren wie weggeblasen, sobald ich ihr verkniffenes Gesicht erblickte. In Windeseile hatte ich mich hochgerappelt, das liebevoll arrangierte Tablett nach nebenan geschleppt und mich wieder auf den Stuhl sinken lassen.
    Mit dröhnendem Kopf und trockenem Mund hockte ich hinter meinen Schreibtisch, als ihr erster Jimmy Choo die Schwelle überschritt. Sie würdigte mich keines Blickes und schien zum Glück auch nicht zu bemerken, dass die echte Emily nicht an ihrem Platz saß. Ich hatte den Eindruck, als ob die Besprechung mit Mr. Ravitz nicht sehr erfreulich verlaufen war, aber vielleicht
sah sie auch nur deshalb so grimmig aus, weil sie sich zu ihm hatte bemühen müssen. Mr. Ravitz war der einzige Mensch im ganzen Gebäude, dem Miranda in irgendeiner Form entgegenkam.
    »Aan-dreh-aa! Was ist das? Was um alles in der Welt ist das?«
    Wie eine Rakete schoss ich hoch und rüber in ihr Büro. Vor uns beiden stand, nicht zu übersehen, der gleiche Lunch, den sie jeden Tag aß, wenn sie nicht im Restaurant speiste.

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