Der Teufel trägt Prada
Recht annehmen würden, Alex sei kurz vor ihnen gekommen. Schließlich hatte er seine Schuhe noch an und hielt ganz offensichtlich eben erst eingekaufte Lebensmittel in Händen. Außerdem stand die Tür noch offen. Puh – Glück gehabt.
»Andy hat gesagt, Sie hätten heute keine Zeit«, sagte mein Vater und deponierte Kaffeebecher sowie eine stark nach Salzbagels aussehende Tüte auf dem Tisch im Wohnzimmer. Er vermied absichtlich jeden Augenkontakt. »Kommen Sie gerade, oder sind Sie im Aufbruch?«
Ich schenkte Alex ein Lächeln und hoffte bloß, dass es ihm nicht schon Leid tat, worauf er sich da in aller Herrgottsfrühe eingelassen hatte.
»Oh, ich bin vor einer Minute gekommen, Dr. Sachs«, sagte Alex munter. »Ich habe meine Nachhilfestunden verlegt, weil ich mir dachte, Sie könnten noch jemanden brauchen, der mit anpackt.«
»Ganz ausgezeichnet – das ist uns bestimmt eine große Hilfe. Hier bitte, bedienen Sie sich von den Bagels, Alex. Leider haben wir nur Kaffee für drei dabei, wir wussten ja nicht, dass Sie auch hier sein würden.« Mein Dad wirkte ernstlich bekümmert, was ich rührend fand. So ganz wohl war ihm offenbar noch immer nicht dabei, dass seine jüngste Tochter einen Freund hatte, aber er bemühte sich nach Kräften, es nicht zu zeigen.
»Kein Problem, Dr. Sachs. Ich habe auch was mitgebracht,
also müsste es leicht für alle reichen.« Damit machten mein Vater und mein Freund es sich auf dem Futon gemütlich und lie ßen sich gemeinsam das Frühstück schmecken.
Ich probierte je einen Salzbagel aus den beiden Tüten und merkte, dass ich mich tierisch darauf freute, wieder mit Lily zusammenzuwohnen. In dem knappen Jahr seit unserem Abgang vom College hatten wir uns zwar bemüht, mindestens einmal am Tag miteinander zu telefonieren, aber zu einem richtigen Treffen reichte es fast nie. Ab jetzt würden wir abends im gemeinsamen Heim einlaufen und uns wie in alten Zeiten über die Katastrophen des Tages austauschen. Alex und Dad unterhielten sich über Sport (Basketball, glaube ich), während Mom und ich die Kisten in meinem Zimmer beschrifteten. Es waren traurig wenige: ein paar Kartons mit Bettzeug und Kissen, einer mit Fotoalben und diversem Schreibzubehör (für meinen nicht vorhandenen Schreibtisch), ein paar Kosmetik- und Toilettenartikel sowie ein Haufen Kleidersäcke mit Klamotten, die absolut nicht nach Runway aussahen. Eigentlich lohnte es sich gar nicht, sie zu beschriften; wahrscheinlich schlug da schon die pflichtbewusste Assistentin in mir durch.
»Auf geht’s«, rief mein Vater aus dem Wohnzimmer.
»Psst! Du weckst noch Kendra auf«, zischte ich im Flüsterton. »Es ist schließlich erst neun Uhr morgens und Samstag.«
Alex schüttelte den Kopf. »Sie ist doch vorhin zusammen mit Shanti los, glaube ich jedenfalls. Es waren ganz sicher zwei, sie trugen beide Hosenanzüge und sahen nicht gerade happy aus. Sieh doch mal in ihrem Zimmer nach.«
Die Tür war nur angelehnt, und ich stieß sie sachte auf. Das Etagenbett (ohne das im Zimmer überhaupt kein Platz mehr gewesen wäre) war tadellos gemacht; auf den aufgeschüttelten Kissen thronte je ein Stoffhund von der gleichen Marke. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich bisher noch keinen Fuß in das Zimmer meiner Vermieterinnen gesetzt hatte. In den paar Monaten unseres Zusammenwohnens hatte ich mich nie länger als dreißig Sekunden
am Stück mit den beiden Mädels unterhalten. Ich wusste bis heute nicht genau, was sie eigentlich machten, wo sie hingingen oder ob sie noch andere Freunde hatten. Nein, hier hielt mich nichts mehr.
Alex und Dad hatten die Essensreste entsorgt und brüteten jetzt über einem Schlachtplan. »Stimmt, sie sind weg. Ich glaube, sie wissen gar nicht, dass ich heute die Fliege mache.«
»Und wenn du ihnen eine Nachricht hinterlässt?«, schlug Mom vor. »Vielleicht auf deinem Scrabble-Brett?« Die Scrabble-Sucht hatte ich von meinem Vater geerbt, mitsamt der Theorie, dass zu jeder neuen Behausung ein neues Spiel gehörte, ich also das alte zurückließ.
Es kostete mich die letzten fünf Minuten in dieser Wohnung, um die Plättchen zu »Danke fuer alles und viel Glück XO Andy« zu arrangieren. 108 Punkte. Nicht schlecht.
Eine weitere Stunde dauerte es, bis beide Autos bepackt waren, wobei ich hauptsächlich als Türsteherin agierte und die Fahrzeuge im Auge behielt, derweil die anderen von oben eine neue Ladung holten. Die Profis von der Spedition, die für den Transport des Betts mehr verlangten,
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